Ringwelt 11: Die Flotte der Puppenspieler
Blütenblätter und die Blätter am Stängel. Es hatte irgendetwas mit den Blütenblättern zu tun … Die Anzahl der Blütenblätter?
Auf das eine Blatt waren Blumen mit drei, fünf und einundzwanzig Blütenblättern gezeichnet. Auf einem weiteren: drei, acht und fünf. Auf dem nächsten: acht, drei und fünf. Irgendetwas in Kirstens Erinnerung regte sich.
Auf sämtlichen dieser Zeichnungen wiesen die Blumen immer nur eine bestimmte Anzahl von Blütenblättern auf. Kirsten erstellte eine Liste: drei, fünf, acht, dreizehn und einundzwanzig.
Jetzt erkannte Kirsten ein deutliches Muster, aber einen Sinn darin fand sie dennoch nicht: Drei und fünf sind acht. Fünf und acht sind dreizehn. Acht und dreizehn sind einundzwanzig.
Kirsten aß den Rest der Pizza und ging auf die Brücke. Eine Jeeves-Animation war gerade konzentriert in eine Diskussion mit Sven und Omar vertieft. Die kleine Brücke bot nicht genug Platz, um auch noch Kirsten hereinzulassen. »Jeeves«, rief sie vom Korridor aus – schließlich beherrschte diese KI auch Multitasking. »Drei, fünf, acht, dreizehn … Was kommt als Nächstes?«
»Einundzwanzig, vierunddreißig, fünfundfünfzig. Diese Zahlen gehören zur Fibonacci-Folge, Kirsten. Sie fängt mit Null-Eins-Eins-Zwei an, und jede Zahl dieser Folge ist gleich der Summe der beiden vorangehenden Glieder.«
Omar blickte auf; die Unterbrechung hatte ihn ungeduldig gemacht. »Kirsten, kannst du diese Zahlenspielchen auf später verschieben?«
Also hatte diese Folge einen Namen. Aber hatte sie auch einen Sinn? »Jeeves, welche Bedeutung hat diese Folge?«
»Die Fibonacci-Folge findet sich in der Natur sehr häufig. In der Botanik beispielsweise taucht das Fibonacci-Muster in den Spiralen von Blüten, Blättern und Kiefernzapfen auf – in der Art und Weise, wie in manchen Blumen die Samen angeordnet sind, und auch in der Anordnung der Wachstumsstellen, an denen Pflanzen sich verzweigen. In der Zoologie finden sich Fibonacci-Zahlen etwa im Größenverhältnis der aufeinander folgenden Abschnitte des Nautilus-Gehäuses wieder. Der so genannte ›Goldene Schnitt‹ …«
»Kirsten«, brummte Sven. »Ich habe gerade Zugang zu einer Liste sämtlicher Spezies gefunden, die jemals an Bord dieses Schiffes befördert wurden, einschließlich einiger mariner Lebensformen, die mir völlig neu sind. Kann dein ›Spaß mit Zahlen‹ nicht warten?«
Kirsten ignorierte auch Sven einfach. »Jeeves, du hast gesagt, dieses Muster finde sich in der Natur. Meinst du damit die ganze Natur, oder nur die Natur auf der Erde?«
»Die Natur auf der Erde«, erwiderte Jeeves.
Aha: Sie hatte also ein Fragment gefunden, das möglicherweise für eine Dialogbox codierte. Ein geheimes Programm, das in diesem Erden-Computer versteckt worden war – möglicherweise durch ein geheimes Passwort zu erreichen. Ein geheimes Enfera-Passwort?
Ob die Blumen, die hier überall auftauchten, eine Botschaft enthielten? Irgendetwas, das nur Menschen auffallen konnte? Fibonacci-Zahlen. Blumen mit drei, fünf, acht, dreizehn und einundzwanzig Blütenblättern.
Und wieder kam Kirsten nicht weiter.
Sie setzte sich auf das Deck, den Rücken gegen ein Schott gelehnt, und starrte zur Brücke hinüber. 3-5-8-13-21. Sieben Ziffern. Aber dieses Feld, das vermutlich dazu diente, dort ein Passwort einzugeben, ließ nur sechs Ziffern zu.
»Sven!« Als Kirsten plötzlich so laut nach ihm rief, blickte der Archivar erschreckt auf. »Du sagst, Fuchsien hätten nur vier Blütenblätter, nicht fünf?«
Er nickte nur und setzte wortlos seine Arbeit fort.
Also musste Kirsten die Fünf als bewusste Falschinformation ignorieren. 3-8-13-21. Sechs Ziffern bedeuteten 720 Permutationen. Das konnte sie schaffen. Kirsten kam wieder auf die Beine.
Lichtjahre und Generationen und Jahrhunderte …
Würde die geheime Vergangenheit der Kolonisten durch eine Suche aufgedeckt werden, bei der mit roher Gewalt vorgegangen wurde? So aufgeregt Kirsten auch war – die mangelnde Eleganz und Ästhetik dieser Vorstellung missfiel ihr. Mit Logik war sie so weit gekommen. Und Logik sollte diese Suche auch zum Abschluss bringen.
Was wussten sie denn sonst noch?
Blumen und Fibonacci-Zahlen. Schlecht gezeichnete Blumen. Kirsten selbst kannte nur wenige dieser Blumen, doch selbst sie wusste, dass eine echte Iris viel größer wurde als ein Gänseblümchen.
Auf ihrem Taschencomputer suchte Kirsten nach einem Abbild dieses uralten Stickbildes. Eine der zahlreichen Blumen, die
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