Ringwelt 12: Weltenwandler
ihre Komm-Einheit. »Setz ein paar Banker unter Druck, bis sie dir den Zugriff auf ungenutzte GP-Konten gestatten. Alles andere ist doch nur Tarnung.«
Sigmund konnte kaum glauben, das zu hören. »Die Eingriffe in die Transferkabinen? Der Diebstahl des verfutzten Parthenon-Frieses?«
»Das ist so typisch für dich, Sigmund! Immer schön einen Eingriff durch Aliens dazuerfinden, damit du diese Ungerechtigkeit ignorieren kannst, gegen die gerade die halbe Welt demonstriert. Das ist eine prima Ausrede dafür, nichts wegen uns zu unternehmen.« Ihre Augen blitzten. »Nicht, dass es ein ›wir‹ überhaupt noch geben würde.«
Die Färbung der Haut. Die Grundeinstellung. Und jetzt begriff Sigmund auch, was ihm die ganze Zeit entgangen war: die Leere des Raumes, in dem Feather sich befand. Sie war sogar außergewöhnlich unordentlich, und dennoch war dieses Gästezimmer peinlich sauber aufgeräumt. Nein, er war völlig kahl. Sigmund wusste es, ohne auf seine Sonden zugreifen zu müssen: Feathers ganze Habe befand sich in Carlos’ Schlafzimmer.
Obwohl die Morgensonne gleißend durch das Fenster seines Büros strömte, war Sigmund auf einmal unendlich müde. »Wir sind dann wohl fertig. Ruh dich aus.« Er unterbrach die Verbindung.
»Du hast Feather noch überhaupt nichts von unseren neuesten Erkenntnissen berichtet«, sagte Medusa. Jetzt war sie wieder eine ganz gewöhnliche Gorgo. Das komplexe Affinitäts-Netzwerk war wieder im Cyberspace verschwunden, aus dem es gekommen war.
»Geh davon aus, dass Feathers einzige Aufgabe im Augenblick lautet, Carlos zu beschützen.« Sigmund rieb sich die Schläfen. Er versuchte sich selbst einzureden, dass er ihnen alles Gute wünschte.
Doch angesichts von Feathers feindseliger Haltung hatte er es nicht für sinnvoll oder auch nur notwendig erachtet, Feather von den Fortschritten zu berichten, die Medusa im Hinblick auf die Rückverfolgung der gewaschenen Gelder gemacht hatte. Sollte er sich wirklich immer und immer wieder erklären lassen, Korrelation und Ursache seien nicht das Gleiche?
Das Institut für Wissenschaften hatte eine beträchtliche Stiftung erhalten – aus eben diesen gewaschenen Geldern –, und kurz darauf wurden Julian Forward sämtliche Forschungsgelder gestrichen. Julian Forward wiederum hatte andere gewaschene Gelder von GP erhalten und damit diese Belagerung des Solsystems herbeigeführt.
Sigmund spürte einfach, dass die Puppenspieler hier immer noch am Werk waren.
KAPITEL 37
Naturschutzwelt 1 war ganz und gar auf die Bürger zugeschnitten. Hier gab es keinerlei echte Gefahren – nur Scham und Elend.
Zitternd saß Baedeker in der Kabine seines Mähdreschers. Durch das offene Fenster hörte er das Heulen des Windes und das unschöne Knirschen schleifender Maschinenteile. Schließlich schloss Baedeker das Fenster; jetzt war ihm zwar kälter, aber mehr als vorher wusste er immer noch nicht.
Es wäre so einfach, wieder zur Stadt zurückzufliegen. Die drohend schwarze Wolkenwand, die immer wieder von gewaltigen Blitzen durchzuckt wurde, war ein durchaus hinreichender Grund dafür. Doch dann, wenn der nächste Morgen gekommen war, der Sturm vorübergezogen und ein Großteil seiner Ernte ruiniert wäre, läge er nur noch weiter hinter seiner Quote zurück.
Er stieß ein unglückliches Tschilpen aus und steigerte die Heizleistung seines Overalls. Das Kleidungsstück war leuchtend orange gefärbt – das charakteristische Orange des Rehabilitationstrupps; die einzige farbliche Ausnahme bildeten die durchsichtigen Ausläufer, die seine Köpfe schützten. Schließlich kletterte Baedeker aus der rechten Tür der Fahrerkabine – auf der Seite des Feldes, die er bereits abgeerntet hatte. Er musste sich gegen den Wind regelrecht anstemmen, während die Stoppeln der Feldpflanzen unter den Sohlen seiner Stiefel knirschten. Selbst die hellsten Stellen des Himmels waren jetzt düster und einförmig grau.
Ein blutiger Klumpen verstopfte die Ansaugöffnung: Es war der Kadaver des Wühlers, den Baedeker vor sich gesehen hatte. Er stieß einen mehrstimmigen Fluch aus und löste eine Abdeckplatte. Dann unterbrach er die Energieversorgung dieses Teils der Maschine und machte sich daran, mit einem Nagelzieher aus dem Werkzeugkasten des Mähdreschers den Kadaver herauszuzerren. Wenn der Sturm noch ein wenig auf sich warten ließe, würde Baedeker heute vielleicht noch das ganze Feld abernten können. Hier, in dieser neuen Phase seines Lebens, konnte er
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