Ringwelt
Wurfgeschosse, die wir auf unsere Feinde herunterprasseln lassen. Nur die Angst vor der schwindelnden Höhe hat uns anfangs Schwierigkeiten gemacht.
Trotzdem sehnen wir die Tage der großen Wunder herbei, als unsere Stadt noch von tausend mal tausend Leuten bewohnt war und die Häuser über der Erde schwebten! Wir hoffen, daß Ihr Euch dazu entscheidet, uns diese große Zeit zurückzugeben. Es steht geschrieben, daß in den Tagen der großen Wunder unsere ganze Welt geschaffen wurde. Vielleicht seid Ihr so gnädig, uns zu verraten, ob diese Kunde auf Wahrheit beruht!«
»Es stimmt«, erwiderte Louis vage.
»Werden diese herrlichen Zeiten wiederkehren?«
Louis gab eine unverbindliche Antwort, die den Anführer der Eingeborenen zu enttäuschen schien. Louis spürte das instinktiv. Denn er konnte ja das Mienenspiel des Eingeborenen unter dem struppigen Bart nicht erkennen. Die Gesten gaben ihm ebenfalls keine Hinweise, weil sie eine ganz andere Bedeutung zu haben schienen als auf der Erde. Er blickte in die sanften braunen Augen des Wortführers. Doch aus den Augen läßt sich viel weniger herauslesen, als man gemeinhin behauptet.
Die Stimme des Fremden klang feierlich-getragen, als zitiere er aus einem Epos oder einem Gedicht. Der Autopilot übersetzte Louis' Worte auf ähnlich feierliche Weise. Louis hörte auch die Übersetzungen aus den anderen Sprechscheiben - das leise Flöten im Flugrad des Puppetiers und das gedämpfte Fauchen vom Steuerpult des Kzin. Louis stellte jetzt selbst Fragen.
»Nein, Baumeister, wir sind kein kriegerisches Volk. Wir kämpfen nur, wenn es sein muß. Ihr fragt nach den Schädeln, Baumeister? Man findet sie überall unter dem Schutt der Stadt. Seit dem Zusammenbruch der fliegenden Türme liegen sie dort, so lautet die Sage. Wir benützen sie als Schmuck. Und ihrer Bedeutung wegen.« Feierlich hob der Sprecher jetzt den Arm und drehte Louis den Handrücken zu, auf dem der Vogel auftätowiert war.
Alle in der Nähe versammelten Leute stießen einen lauten Ruf aus.
Verdammt, dieser Ruf wurde von dem Autopiloten nicht übersetzt! Zum erstenmal hatte sich jetzt auch die Menge eingemischt.
Das war ein wichtiger Augenblick. Das spürte Louis ganz deutlich. Nur wußte Louis nicht, was ihm hierbei entgangen war. Er hatte leider auch keine Zeit, darüber nachzudenken.
»Vollbringt ein Wunder«, sagte jetzt der Wortführer. »Wir zweifeln nicht an Eurer Macht, Baumeister. Aber vielleicht kommt Ihr nie mehr in unser Lager. Wir wollen ein Zeichen, das wir unseren Kindern überliefern können!«
Louis überlegte rasch. Die fliegenden »Vögel« würden diesen Leuten nicht zum zweitenmal imponieren. Sollte er ihnen eine »heilige Speise« geben? Doch selbst die Menschen hatten verschiedene Speisesitten, und was dem einen als Leckerbissen galt, erregte bei anderen wieder Ekel. Man brauchte nur an Käse oder geröstete Heuschrecken zu denken. Nein, keine Speisung. Der Laser vielleicht?
Als Louis in den Gepäckraum seines Flugrades griff, schob sich ein neues Schattenviereck an die Sonne heran.
Louis stellte zuerst die Blende klein und den Energiezufluß auf normale Leuchtkraft. Dann ließ er den Lichtkegel über die Gesichter der Würdenträger und der versammelten Menge wandern. Wenn sie davon beeindruckt waren, zeigten sie es nicht.
In seiner Enttäuschung richtete Louis die Lampe schräg in den Himmel und zielte auf ein Gebilde, das wie ein surrealistischer Wasserspeier aussah. Er stellte die Blende auf groß und die Lichtstärke auf äußerste Kraft. Der Wasserspeier ließ heißes Metall aus seinem Bauchnabel tropfen.
Louis wartete auf den Applaus.
»Ihr kämpft mit dem Lichtstrahl«, sagte der Mann mit der tätowierten Hand. »Das ist streng verboten!«
Die Menge stieß wieder einen unverständlichen Ruf aus und verfiel dann in drohendes Schweigen.
»Das wußten wir nicht«, erwiderte Louis verwirrt. »Wir bitten um Entschuldigung.«
»Ihr habt das nicht gewußt? Wie kommt das? Habt Ihr denn nicht selbst den Bogen am Himmel errichtet zum Zeichen des Bundes mit den Menschen?«
Louis begriff endlich. Er mußte sich mächtig beherrschen, sonst hätte er laut aufgelacht.
Im gleichen Augenblick schlug ihn der haarige Wortführer mit der Faust auf die Nase.
Der Schlag war nicht sehr kräftig und ungeschickt geführt, aber er tat weh.
Louis war an Schmerzen nicht mehr gewöhnt. Die meisten seiner Zeitgenossen hatten in ihrem langen Leben höchstens mal einen Zeh oder einen Finger
Weitere Kostenlose Bücher