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Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr

Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr

Titel: Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hollow Skai
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unverkrampfter um.« Und 1978 stand er laut Littmann drei, vier Wochen lang sogar kurz vorm Absprung. Nachdem man gemeinsam das Album entartet! und die Musik für die Revue Nymphomannia aufgenommen hatte, das unter anderem den Shit-Hit und die Outing-Hymne Raus (aus dem Ghetto) enthielt, die später zum Live-Repertoire der Scherben gehörten und auch auf dem Album Ton Steine Scherben live in Berlin 1984 zu hören sind, soll Rio sich ernsthaft überlegt haben, die Scherben zumindest vorübergehend zu verlassen und mit Brühwarm auf Tour zu gehen. Ein Plakat, auf dem Rio als alternde Transe zu sehen war, war bereits gedruckt, doch im letzten Moment überlegte er es sich doch noch anders.
    Um keinen Rappel zu kriegen, musste er immer wieder »fremdgehen«, wie er 1982 Albrecht Metzger in einem Interview für die Konzertdokumentation Halt dich an deiner Liebe fest gestand. Abwechselnd wohnte er in Fresenhagen und Berlin, wo David Bowie gerade Hof hielt und sein Album Heroes aufnahm. In der Schwulenszene rund um das Café »Anderes Ufer«, in dem Bowie, der im selben Haus wohnte, sich des Öfteren sehen ließ, schwärmte man hemmungslos von dem exzentrischen Rock-Star und himmelte ihn geradezu an, was Rio mitunter sauer aufstieß. Schön und gut, dass Bowie Heroes eindeutschte und von »Helden für einen Tag« sang, aber was war mit ihm? Und als Transplantis ihn fragte, ob er für ihre schwule After Punk Show im Tali-Kino nicht die Musik schreiben könnte, soll er sich erst geziert und rumgezickt haben: Warum fragen die nicht David Bowie?

15 Jenseits von Eden
    Drei Jahre, nachdem die Scherben von Berlin nach Fresenhagen gezogen waren, sah ihre Zukunft mehr als düster aus. Die Band war »ziemlich im Arsch«, wie es Nikel Pallat formuliert, keiner wusste so recht, wovon er in den kommenden Monaten leben sollte, und jeder kochte sein eigenes Süppchen. Rio war meistens in Berlin, wo er manchmal im »Dschungel«, einer Szenekneipe in der Nürnberger Straße, in der auch Iggy Pop und Deutschlands erster Punk Jäki Eldorado verkehrten, Platten auflegte. Und die meisten, die in Fresenhagen geblieben waren, hatten die Theatergruppe Deichtraum gegründet und engagierten sich in der Anti-AKW-Bewegung.
    Dass sich die Kommune im Stadium der Auflösung befand, war jedenfalls nicht zu übersehen. Als Erste hatten die »Kurzen« den Hof verlassen, nachdem es an Rio hängen geblieben war, sie rauszuwerfen, weil sie nur Chaos stifteten. Dann zogen Nikel Pallat und Marie Sublet und anschließend einer nach dem anderen aus, so dass von ursprünglich 16 Bewohnern nur noch vier übrig geblieben waren: Rio, Lanrue, Funky und die Perkussionistin Britta Neander.
    Die damaligen Schulden – einige 10 000 Mark – wurden unter Rio, Lanrue, Nikel und Schlotterer verteilt, und Rio und Lanrue übernahmen nun auch offiziell den Hof von Nikel, der bis dahin als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen war.
    Zwischen Fresenhagen und Berlin pendelnd, schrieb Rio die Musik zu Filmen von Hans Noever ( Die Nacht mit Chandler ), Gert Möbius ( Der achte Tag ) und Helmut Kopetzky ( Willy und die Kameraden ).
    Mittlerweile nannte er sich auch Reiser, nach dem Roman Anton Reiser von Karl Philipp Moritz, weil er für seine Titelrolle in dem Film Johnny West einen Künstlernamen benötigte.
    Ursprünglich hatte Herbert Grönemeyer den Johnny West spielen sollen, dann hatte jedoch in letzter Minute Rio die Rolle bekommen. Der Plot des Films, in dem auch Missus Beastly als The Manhattans auftraten, Friedemann Josch, der in den achtziger Jahren die Ethno-Beat-Band Dissidenten gründete, einen Bandleader mimte, und Kai Sichtermanns Freundin Angie Olbrich die Freundin des Managers, war denkbar einfach: Aus einem Roadie wird ein Gitarrist, woran die zarte Liebe zu einem weiblichen Fan, gespielt von Kristina van Eyck, zerbricht.
    Für seine schauspielerische Leistung wurde Rio mit einem Filmband in Gold ausgezeichnet, der Film verschwand allerdings nach nur sieben Tagen aus den Kinos, weil sein Verleih, die Constantin, Konkurs anmelden musste. Der Regisseur nahm sich übrigens bald darauf aus privaten Gründen das Leben, indem er aus dem Fenster sprang; Bernd Eichinger, der Geschäftsführer des Rechtsnachfolgers Neue Constantin, verbannte Johnny West später zusammen mit einem Großteil des Repertoires ins Lager, wo die Kopie bis zu ihrer Wiederaufführung vor ein paar Jahren rotstichig wurde.
    Fresenhagen blühte jedoch erst wieder neu auf, als Nina Hagen dort

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