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Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr

Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr

Titel: Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hollow Skai
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Werner-Seelenbinder-Halle mitschnitt und die Tonaufnahmen dem DDR-Fernsehen zur Verfügung stellte. Den Zuschauern wurde Rio Reiser als deutschsprachiger Künstler im internationalen Friedenskampf verkauft. Bedingungen wurden nicht gestellt, nur der Wunsch geäußert, auf den Song Keine Macht für Niemand doch möglichst zu verzichten.
    Zu den Konzerten strömte der harte Kern der politisch Motivierten aus der ganzen DDR, und wer keine Karte mehr ergattern konnte, hielt ein handgeschriebenes Pappschild hoch: »Ist die Hoffnung noch so klein, Hardie will zu Rio rein.« Hier im Osten fand er die Anerkennung, die ihm im Westen versagt wurde, wo man ihn noch immer als »Schlagerfuzzy« oder »Arbeiterverräter« denunzierte, die taz sein Album Blinder Passagier als »Kitsch mit Anspruch« abtat und alte APO-Kämpfer ihn verhöhnten: »Er schafft bei Plattenfirmen an.«
    In Ostberlin brachte man ihm, auch von Seiten der Medien, die Aufmerksamkeit entgegen, die er auf der anderen Seite der Mauer so vermisste. In einem Interview mit dt 64 erinnerte er daran, dass Ton Steine Scherben zum Schluss bei keiner Plattenfirma untergekommen waren, weil »sie keine Anarcho-Band haben wollten, weil sie wussten, wie schwierig es ist, so was in den Sendern unterzubringen«. Immer wieder hätten sie die Erfahrung gemacht, »dass Journalisten, die mit uns Interviews gemacht hatten, am nächsten Tag Ärger hatten, weil sie irgendeinen Song gebracht haben«. Im DDR-Fernsehen beschrieb er seine beiden letzten LPs als »Versuch, alles unter einen Hut zu bringen, sowohl meine Ansprüche als auch die Ansprüche, die Plattenfirmen, vor allem die Sender, an einen stellen«. Der Sound müsse halt »möglichst amerikanisch« klingen, gleichwohl habe er nicht versucht, »irgendeinen bestimmten Stil zu kopieren«. Im Interview mit der Zeitschrift melodie und rhythmus gestand er, dass ihm »bei diesem ganzen Promotion-Rummel« manchmal der Humor abhanden komme: »Du bist als Mensch überhaupt nicht interessant, eigentlich bist du gar nicht vorhanden.« Gleichzeitig betonte er aber, weder am Text noch an der Musik Zugeständnisse zu machen, und allen, die sich eine Scherben-Reunion wünschten, erteilte er eine Abfuhr: »Nichts gegen die gute alte Zeit; ich denke auch oft und gerne daran. Aber ich kann nicht als Museumsstück leben.«
    An eine Wende war in der DDR ein Jahr vor dem Fall der Berliner Mauer zwar noch nicht zu denken, doch als Rio Der Traum ist aus sang, stimmten 6000 Zuschauer lautstark in den Refrain ein und schrien: »… dieses Land ist es nicht!« In der Regiekuppel hatte man sich aber »wohl darauf geeinigt, nichts mitgekriegt zu haben«, und als ein Fan eine Fahne mit einem Anarcho-A schwenkte, wurde George Glueck zwar gefragt, was dieses Zeichen zu bedeuten habe, doch der zuckte nur die Schultern und gab vor, es auch nicht zu wissen.
    Die schwarzroten Fahnen wurden dann aber doch mühevoll rausgeschnitten, bevor das Konzert im DDR-Fernsehen gezeigt wurde, die Kritiken dürften Rio aber zugesagt haben. »Reisers Melodien sind gängiger geworden, die Texte persönlicher, feinnerviger, zurückhaltender«, schrieb beispielsweise Birgit Walter in der Berliner Zeitung . Auf der Bühne hätten Anarcho-Nummern gefehlt, ansonsten habe er aber das ganze Spektrum geboten – »die schönen alten ewig jungen Scherben-Songs ( Halt dich an deiner Liebe fest , Der Traum ist aus )« ebenso wie »die neuen Fast-Klassiker ( Für immer und dich , Junimond )«. Wobei ihr die Liebeslieder am besten gefielen: »Was bei anderen zu einer gefühligen Schnulze geraten würde, ist bei Reiser fast noch Rock. Mit seiner Stimme nimmt er jedem Titel den Schmalz.« Allein in der Jugendzeitschrift Trommel spekulierte ein naseweiser Rainer Bratfisch, dass er wohl »ein bisschen gefälliger« klingen müsse, »wenn das große Geld fließen soll«, und bedauerte, dass alte Scherben-Songs »fast in Schlager-Nähe« gerückt seien und er »einige allzu bissige« gar nicht erst gesungen habe.
    Dass ihm ein Betreuer zum Abschied eine dreibändige Ausgabe mit vertraulichen Briefen Goethes schenkte, war ihm, der Douglas Adams’ Per Anhalter durch die Galaxis gleich stapelweise kaufte, um damit Leute zu beglücken, im Westen jedenfalls noch nie vorgekommen. Und auch nicht, dass nicht er, sondern Lutz Kerschowski, der im Vorprogramm aufgetreten war, am zweiten Abend eine Ansage zu einem Song weglassen sollte, in dem von alten Männern die Rede war (die Bitte wurde ihm

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