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Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr

Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr

Titel: Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hollow Skai
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»netterweise« von Rainer Börner nicht ausgerichtet).
    Offensichtlich blicke die FDJ nicht mehr ganz durch, wunderte sich Rio, wieder zurück im freien Westen. Denn darüber, dass es an diesen beiden Abenden im Oktober 1988 ein deutsch-deutsches Konzert gegeben hatte, durfte seltsamerweise nicht berichtet werden, und eine Genossin, die Kerschowskis Auftritt im Vorprogramm trotzdem in drei Zeilen erwähnte, wurde daraufhin aus der SED ausgeschlossen.

26 Aschermittwoch
    Das Konzert in der Werner-Seelenbinder-Halle war Lanrues letzter öffentlicher Auftritt, gleich anschließend verließ er die Rio-Reiser-Band, weil er kein Mietmusiker wie dieser ständig grinsende Christian Schneider war und sich immer weniger gefordert fühlte. Statt gute Miene zum bösen Spiel zu machen, stieg er lieber aus, solange das noch möglich war, ohne dass seine Freundschaft zu Rio darunter litt.
    In Ostberlin hatten sich aber auch Rio und Lutz Kerschowski angefreundet, der nebenbei noch mit Musikern von Engerling und Pankow in der Blankenfelder Boogie-Band spielte, einer Combo, die darauf spezialisiert war, Rock’n’ Roll-Oldies wie Del Shannons The Wanderer , Eddie Cochrans Summertime Blues oder Little Richards Tutti Frutti einzudeutschen. Als er Rio erzählte, dass sie bereits eine Platte aufgenommen hätten, lud der ihn spontan dazu ein, sie in Fresenhagen abzumischen. »Jut, mach’ ich, keen Problem, besorg’ mir’n Pass«, antwortete Kerschowski daraufhin in seinem unüberhörbaren Pankower Dialekt.
    Nicht mal ein halbes Jahr später hatte er es jedoch geschafft, eine Ausreisegenehmigung zu erhalten. Mit seinem gelben Wartburg rumpelte er nach Fresenhagen, war fasziniert von der nordfriesischen Landschaft und freute sich des Lebens, das ja so schön sein konnte.
    Dort angekommen, war er allerdings erst mal schockiert. Rio und Lanrue hatten sich soeben eine Satellitenschüssel zugelegt und schauten, während draußen die Sonne langsam unterging, in einem vom Zigarettenrauch völlig verquarzten Zimmer gebannt den Landscape Channel.
    Die beiden staunten nicht schlecht, als Kerschowski zunächst einmal die mitgebrachte 8-Spur-Maschine eigenhändig reparierte und dann gleich in der ersten Nacht alle Songs auf Band sang, aus Angst, das Aufnahmegerät könne jederzeit seinen Geist aufgeben. So war die Arbeit schneller getan, als sie gedacht hatten, und Rio und Lutz hatten noch ausgiebig Zeit, zusammen Musik zu machen und Lieder wie Frag den Abendwind von Françoise Hardy oder Sloop John B von den Beach Boys zu singen.
    Als ein halbes Jahr später die Mauer fiel, befand Rio sich gerade wieder mal in Berlin, wo er gemeinsam mit Udo Arndt und Reinhold Heil im Audio-Studio am Ostpreußendamm sein drittes Solo-Album aufnahm, dessen rotes Cover der Mao-Bibel nachempfunden wurde. Er lag noch auf seinem Zimmer im Hotel Schweizer Hof im Bett, als er morgens um sechs aufwachte, weil ihm der Geruch der Trabbis in die Nase gestiegen war. »Da habe ich gewusst: Sie sind da!« Naiv, wie er war, frühstückte er nicht im Hotel, sondern machte sich gleich auf den Weg. Auf dem Kudamm gelang es ihm aber noch nicht mal, eine Currywurst zu ergattern, es gab keine Taxis, die U-Bahnen waren überfüllt, und als er sich aus einem Geldautomaten ein paar Scheine zog, wurde er von Ossis gefragt, wie dieser »Spielautomat« denn funktioniere.
    Für das rote Album hatte er sich einen besonderen Dreh ausgedacht, mit dem es auch promotet werden sollte. Ein Produzenten-Duo namens »Die Kuhjaus« – Kujau hieß der Fälscher der ein paar Jahre zuvor vom stern präsentierten Hitler-Tagebücher – habe das Album gefälscht, »echte« Streichinstrumente gegen »falsche« Keyboards ausgetauscht, seine »handgemachte« Musik also durch Computerklänge ersetzt. So ähnlich hatte auch schon Neil Young seine Fans mit dem Album »Trans« vor den Kopf gestoßen.
    Im Musikexpress erläuterte er das Konzept der Platte: »Es liegt bekanntlich im Trend, so zu tun, als ob alles mit der Hand eingespielt wird. Doch wenn du genau hinhörst, merkst du, wie viel Elektronik da im Spiel ist. So kamen wir auf die Idee mit den Fälschern: Wenn jetzt alle behaupten, ihre Titel seien zu Fuß und zu Hand eingespielt worden, dann fälschen wir jetzt’ne Platte.« Im Übrigen sei das Album gar nicht so synthetisch, wie es einem vorkomme.
    Aschermittwoch war nichtsdestotrotz ein wunderbarer kleiner Popsong. Der Text von Sternchen basierte auf seinem Lieblingsbuch, Mika Waltaris Sinuhe der

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