Ripley Under Ground
Bernard wußte es auch nicht; ich habe ihn nämlich gefragt, nachdem wir – als Derwatt tot war.«
»Und Sie glauben, er hat seine Sachen einfach im Hotel stehenlassen?«
»Nein, das nicht.« Tom schüttelte den Kopf. »Das hätte er nicht getan. Bernard nahm an, daß Derwatt sehr wahrscheinlich alle Spuren von sich selbst vernichtet hat, dann das Hotel verließ und – na ja, wie stellt man es an, einen Koffer loszuwerden? Entweder man schmeißt den Inhalt in irgendwelche Mülleimer, oder man läßt einfach den ganzen Koffer ins Wasser fallen. Das ist in Salzburg ganz leicht. Besonders wenn er es schon am Abend vorher getan hat, als es dunkel war.«
Webster sann einen Augenblick nach. »Haben Sie mal an die Möglichkeit gedacht, daß Bernard vielleicht zu der gleichen Stelle im Wald zurückgegangen ist und sich dort von demselben Felsen heruntergestürzt hat?«
»Ja«, sagte Tom, denn diese Vorstellung war ihm auch schon durch den Kopf gegangen. »Aber ich hab´s nicht fertiggebracht, gestern morgen dort noch einmal hinzugehen. Ich hätt´s vielleicht tun sollen. Aber ich hatte das Gefühl, er sei nicht mehr am Leben, er läge irgendwo tot, und ich würde ihn niemals finden.«
»Aber wie ich es verstehe, ist es durchaus möglich daß Bernard Tufts noch am Leben ist.«
»Ja, das stimmt.«
»Hatte er genügend Geld?«
»Das glaube ich nicht. Ich wollte ihm vor ein paar Tagen etwas leihen, aber er hat es abgelehnt.«
»Wie hat sich Derwatt Ihnen gegenüber geäußert über Murchisons Verschwinden?«
Tom dachte einen Augenblick nach. »Es hat ihn deprimiert. Was er gesagt hat – er sagte etwas über die Last der Berühmtheit oder so was. Er mochte nicht berühmt sein. Er meinte, das habe das Leben eines Menschen gekostet – das von Murchison.«
»War Derwatt Ihnen freundlich gesinnt?«
»Ja. Jedenfalls habe ich nie das Gegenteil bemerkt. Meine Unterhaltungen mit ihm waren aber nur kurz – ich glaube, im ganzen waren es zwei oder drei.«
»Wußte er etwas von Ihrer Verbindung zu Richard Greenleaf?«
Ein Beben durchfuhr Tom, das hoffentlich unbemerkt blieb. Er hob die Schultern. »Gesagt hat er nie etwas davon.«
»Und Bernard? Hat der auch nie etwas gesagt?«
»Nein.«
»Wissen Sie – Sie müssen zugeben, es ist merkwürdig, daß drei Männer in Ihrer Umgebung einfach verschwinden oder ums Leben kommen: Murchison, Derwatt und Bernard Tufts. Genauso ist damals Richard Greenleaf verschwunden, ich glaube, die Leiche ist nie gefunden worden. Und dann noch dieser Freund von ihm – wie hieß er doch –, Fred? Freddy Irgendwas?«
»Miles, glaube ich«, sagte Tom. »Aber ich kann nicht sagen, daß Murchison mir irgendwie nahegestanden hat, ich kannte ihn ja kaum. Und Freddy Miles auch nicht.« Jedenfalls, dachte Tom, war Webster offenbar noch nicht auf die Möglichkeit gekommen, daß er, Tom, Derwatts Rolle gespielt hatte.
Jetzt erschienen Heloise und Mme. Annette mit dem Teewagen, auf dem eine Platte mit Sandwiches und eine Flasche Wein im Eiskühler standen.
»Ach ja, eine kleine Erfrischung!« sagte Tom. »Inspektor, ich hatte Sie gar nicht gefragt, ob Sie eine Verabredung zum Lunch haben, aber dieser –«
»Doch, das habe ich, mit der Polizei in Melun«, sagte Webster mit schnellem Lächeln. »Ich muß sie gleich anrufen. Übrigens – alle diese Telefongespräche werde ich Ihnen erstatten, Mr. Ripley.«
Tom hob abwehrend die Hand und sagte zu Mme. Annette: »Vielen Dank, Madame.«
Heloise reichte Webster einen Teller und eine Serviette und bot ihm dann die Sandwiches an. »Hummer und Krabbenfleisch. Dies hier ist Hummer.«
»Da kann ich nicht widerstehen«, sagte der Inspektor und nahm von jedem eins. Aber er blieb noch bei seinem Thema. »Ich muß der Salzburger Polizei Bescheid sagen – über London, weil ich nicht deutsch spreche –, damit sie nach Bernard Tufts suchen. Und morgen könnten wir vielleicht ein Treffen in Salzburg verabreden. Sind Sie morgen frei, Mr. Ripley?«
»Ja – ich könnte es natürlich einrichten.«
»Sie müssen uns zu der Stelle im Wald führen, wissen Sie. Wir müssen da nachgraben, nach den – na ja, Sie wissen schon. Derwatt war englischer Staatsbürger. Oder war er am Ende gar keiner?« Webster lächelte mit vollem Mund. »Aber Mexikaner wird er ja nicht geworden sein, nicht wahr.«
»Ja – danach habe ich ihn nie gefragt«, meinte Tom.
»Es wird ganz spannend sein, sein Dorf in Mexiko zu finden«, sagte Webster, »dieses einsame und namenlose Dorf. In der Nähe welcher Stadt
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