Ripley Under Ground
es nicht besonders schwer, jemanden zu finden, den man sucht. Ich habe ihn jedenfalls am zweiten Tag gefunden.«
»Wen haben Sie zuerst gesehen, Bernard oder Derwatt?«
»Oh, Bernard, weil ich den ja suchte. Daß Derwatt in Salzburg war, wußte ich gar nicht.«
»Und – bitte reden Sie weiter«, sagte Webster.
Tom setzte sich auf. »Na ja – ich glaube, mit Bernard habe ich wohl ein- oder zweimal allein gesprochen und dann mit Derwatt ebenso. Dann waren wir alle drei ein paarmal zusammen. Die beiden waren alte Freunde. Ich fand, Bernard war deprimierter, weil nämlich seine Freundin Cynthia ihm den Laufpaß gegeben hatte. Und Derwatt –« Tom zögerte einen Augenblick. »Derwatt schien sich um Bernard viel mehr Gedanken zu machen als um sich selbst. Ich habe übrigens noch ein paar Notizbücher von Bernard, ich glaube, die sollte ich Ihnen zeigen.« Er erhob sich, aber Webster sagte:
»Ich möchte erstmal ein paar Fakten haben. Bernard hat sich also umgebracht, und zwar wie?«
»Er ist einfach verschwunden. Das war gleich nach Derwatts Tod. Nach seinen Notizen zu urteilen, ist er vermutlich ins Wasser gegangen – in den Fluß bei Salzburg. Ich war aber nicht sicher, deshalb habe ich das der Polizei dort nicht gemeldet. Ich wollte erst mit Ihnen sprechen.«
Webster sah etwas verwirrt oder verstört aus, was Tom nicht wunderte. »Ja – die Notizbücher interessieren mich natürlich sehr, aber Derwatt – was war denn da passiert?«
Tom warf einen Blick auf Heloise. »Am Dienstag, das hatten wir abgemacht, trafen wir uns alle drei morgens um zehn. Derwatt sagte, er habe Schlaftabletten genommen. Er hatte schon vorher davon gesprochen, sich das Leben zu nehmen, und er sagte, er wollte verbrannt werden, von uns beiden, Bernard und mir. Ich hatte das gar nicht so ernst genommen, bis er dann am Dienstag morgen auftauchte, völlig groggy, und immer so – so merkwürdige Scherze machte. Auf dem Spaziergang nahm er noch mehr Tabletten. Er wollte gern in den Wald, und da sind wir dann hingegangen.« Tom unterbrach sich und sagte zu Heloise: »Liebes, wenn du dies lieber nicht hören möchtest, dann geh doch nach oben. Ich muß es so erzählen, wie es sich zugetragen hat.«
»Nein, ich will es hören.« Einen Augenblick legte sie die Hände über das Gesicht, dann nahm sie sie herab und sagte: »Ich werde Mme. Annette bitten, uns Tee zu machen. Das ist dir doch recht, Tome ?«
»Gute Idee«, sagte Tom herzlich und wandte sich dann wieder an Webster. »Derwatt ist von einem Felsvorsprung heruntergesprungen, auf eine Steinhalde. Man könnte sagen, er habe sich auf drei Arten umgebracht: durch die Schlafmittel, durch den Sprung und durch die Verbrennung, aber er war ganz zweifellos tot, als wir ihn verbrannten. Der Sprung hat ihn getötet. Bernard und ich, wir sind am nächsten Tag noch einmal dort hingegangen. Wir haben alles verbrannt, was wir konnten. Den Rest haben wir vergraben.«
Heloise kam wieder ins Zimmer.
Webster machte sich Notizen.
»Der nächste Tag, das war also Mittwoch, der sechste November.« In welchem Hotel war Bernard abgestiegen? Hier konnte Tom den Blauen Soundso angeben, in der Linzer Gasse. Aber nach dem Mittwoch, da war er nicht ganz sicher. Wo und wann hatten sie das Benzin gekauft? Ach – das Benzin – das wußte Tom nicht mehr genau, aber es war Mittwoch mittag gewesen. Wo hatte Derwatt gewohnt? Das habe er ihn nicht gefragt, gab Tom zur Antwort.
»Bernard und ich wollten uns Donnerstag morgen gegen halb zehn auf dem Alten Markt treffen. Bernard hatte mir Mittwoch abend seine Reisetasche gegeben und mich gebeten, sie so lange zu behalten, bis er abends ein anderes Hotel gefunden hatte. Ich sagte, er solle doch in meinem Hotel ein Zimmer nehmen, aber das wollte er nicht. Und dann, Donnerstag morgen, ist er nicht gekommen. Eine Stunde oder so habe ich gewartet. Ich habe ihn nicht wiedergesehen, er hat auch in meinem Hotel keine Nachricht hinterlassen. Ich hatte das Gefühl, er wollte unsere Verabredung gar nicht einhalten. Er hat sich wahrscheinlich – wahrscheinlich das Leben genommen, im Wasser. Dann bin ich abgereist.«
Langsamer als sonst zündete sich Webster eine Zigarette an. »Mittwoch abend – da sollten Sie die Reisetasche über Nacht behalten?«
»Nein, nicht unbedingt. Bernard wußte, wo ich wohnte, ich hatte eigentlich damit gerechnet, daß er später noch kommen und die Tasche abholen würde. Ich habe aber gesagt: ›Wenn ich dich heute abend nicht mehr sehe, dann treffen wir uns
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