Ripley Under Ground
mal hundert Zentimeter. »Dafür habe ich zehntausend Dollar bezahlt«, sagte er lächelnd. »Sie finden es sicher leichtsinnig von mir, es einfach in der Garderobe stehen zu lassen, aber ich neige dazu, den Menschen zu trauen.« Er löste die Verpakkung mit Hilfe seines Taschenmessers und fragte dann Tom: »Kennen Sie dieses Bild?«
Auch Tom lächelte. »Natürlich kenne ich es.«
»Sie erinnern sich, daß Sie es gemalt haben?«
»Es ist mein Bild«, erwiderte Tom.
»Es geht mir um das Rot in diesem Bild, wissen Sie. Hier das Purpurrot. Das hier ist eindeutig Kobaltlila, das sehen Sie wahrscheinlich besser als ich.« Mr. Murchison verzog den Mund zu einem entschuldigenden Lächeln. »Das Bild ist mindestens drei Jahre alt, denn vor drei Jahren habe ich es gekauft. Aber wenn ich nicht irre, dann haben Sie doch diese Kobaltfarbe schon vor fünf oder sechs Jahren aufgegeben und sind zu einer Mischung von Cadmiumrot und Ultramarin übergegangen. Die genaue Zeit kann ich nicht mehr sagen.«
Tom schwieg. Die Uhr auf diesem Bild war schwarz und purpurrot. Der Pinselstrich und die Farben ähnelten denen des ›Mann im Sessel‹ (den Bernard gemalt hatte) zu Hause. Tom verstand nicht ganz, worauf Murchison mit dem zweifelhaften Purpurrot hinauswollte. Ein kleines Mädchen in Rosa und Apfelgrün hielt die Uhr, oder vielmehr legte sie die Hand darauf, denn die Uhr war groß und stand auf einem Tisch. »Ich muß gestehen, ich weiß es nicht mehr«, sagte er schließlich. »Vielleicht habe ich hier doch klares Kobaltlila genommen.«
»Und auch auf dem Bild ›Die Wanne‹, das draußen hängt.« Murchison machte eine Kopfbewegung in Richtung auf die Galerie. »Aber in allen andern nicht. Das finde ich eben merkwürdig. Normalerweise nimmt kein Maler die Farbe wieder auf, die er einmal abgelegt hat. Ich finde die Kombination von Cadmium und Ultramarin bei weitem interessanter, die Sie in jüngster Zeit benutzt haben.«
Tom war ganz gelassen. Ob er unruhiger sein müßte? Er zuckte leicht die Achseln.
Jeff war in dem kleinen Badezimmer verschwunden, wo er sich mit Gläsern und Aschbechern zu schaffen machte.
»Vor wieviel Jahren haben Sie ›Die Uhr‹ gemalt?« fragte Murchison.
»Tut mir leid, aber das weiß ich nicht mehr«, sagte Tom offen. Er hatte jetzt verstanden, worauf Murchison hinauswollte, mindestens in puncto Zeit, und er fügte hinzu: »Es kann vier oder fünf Jahre her sein. Es ist ein altes Bild.«
»Es ist mir aber nicht als altes Bild verkauft worden. Und ›Die Wanne‹ da draußen, die ist vom letzten Jahr datiert und hat genau dasselbe Kobaltlila.«
Das Kobalt für die tiefen Schatten war auf dem Bild ›Die Uhr‹ keineswegs dominierend. Murchison mußte Adleraugen haben. Tom überlegte. ›Die roten Stühle‹ – ein früher und echter Derwatt – hatten dieselbe klare Kobaltfarbe. Ob das Bild präzise datiert war? Wenn er nun einfach sagte, ›Die roten Stühle‹ seien erst drei Jahre alt, und wenn er das auf irgendeine Art beweisen konnte, dann konnte er Murchison zum Teufel schicken. Das mußte nachher mit Jeff und Ed besprochen werden.
»Sie wissen ganz genau, daß Sie dieses Bild ›Die Uhr‹ gemalt haben?« fragte Murchison.
»Ich weiß, daß es mein Bild ist«, antwortete Tom. »Kann sein, daß es in Griechenland oder auch in Irland war. Ich merke mir keine Daten, und die Daten, die die Galerie nennt, sind nicht immer genau die Daten, zu denen – wo ich ein Bild gemalt habe.«
»Ich glaube nicht, daß ›Die Uhr‹ Ihr Werk ist«, sagte Murchison liebenswürdig und bestimmt.
»Mein Gott, warum denn nicht?« fragte Tom ebenso zuvorkommend.
»Ich weiß, es ist wirklich impertinent von mir, so etwas zu behaupten. Aber ich habe im Museum in Philadelphia einige Ihrer früheren Bilder gesehen, Mr. Derwatt. Wenn ich so sagen darf, Sie –«
»Bitte nennen Sie mich nur Derwatt, das ist mir lieber.«
»Derwatt. Ich meine, Sie sind so produktiv – Sie könnten vielleicht ein Bild vergessen oder vielmehr sich nicht daran erinnern. Ich gebe zu, ›Die Uhr‹ ist in Ihrem Stil gemalt, und das Thema ist ebenfalls typisch für Ihre –«
Jeff hörte ebenso wie Ed aufmerksam zu. Als der Amerikaner jetzt eine Pause machte, sagte Jeff: »Aber das Bild ist doch tatsächlich aus Mexiko gekommen, zusammen mit einigen andern von Derwatt. Er schickt uns immer zwei oder drei auf einmal.«
»Ja. Das Bild ist auch datiert, auf der Rückseite, und zwar in der gleichen schwarzen Farbe wie Derwatts Unterschrift. Und es ist
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