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Ripley Under Ground

Ripley Under Ground

Titel: Ripley Under Ground Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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allem Frauenaugen fürchtete Tom in dieser Situation. Die Dame wurde ihm als Miss Eleanor Soundso vom Manchester Irgendwas vorgestellt.
Dann ging das Gefrage los. Jeff hatte zwar vorgeschlagen, jeder Reporter solle nacheinander seine Fragen stellen, aber das wurde von niemandem beachtet, weil jeder nur erpicht darauf war, die eigenen Fragen beantwortet zu bekommen.
»Wollen Sie für immer in Mexiko bleiben, Mr. Derwatt?«
»Mr. Derwatt, wir sind sehr überrascht, Sie hier zu sehen. Was hat Sie bewogen, nach London zu kommen?«
»Nennen Sie mich doch nicht Mr. Derwatt«, sagte Tom mißmutig, »Derwatt genügt.«
»Was halten Sie von Ihren letzten Bildern? Glauben Sie, es sind Ihre besten?«
»Derwatt – leben Sie allein in Mexiko?« fragte die Dame Eleanor.
»Ja.«
»Können Sie uns den Namen des Dorfes nennen?«
Drei weitere Männer kamen herein, und Tom merkte, daß Jeff einen von ihnen dringend bat, draußen zu warten.
»Eins werde ich Ihnen nicht sagen, und das ist der Name meines Dorfes«, erwiderte Tom langsam. »Es wäre nicht fair gegenüber den Einwohnern.«
»Derwatt, Sie –«
»Derwatt, einige Kritiker haben behauptet –«
Jemand schlug mit der Faust an die Tür. Jeff hämmerte zurück und schrie: »Im Augenblick niemand mehr, bitte!«
Jetzt klang es, als splittere die Tür, und Jeff stemmte sich mit der Schulter dagegen. Die Tür gab nicht nach, das sah Tom. Gelassen wandte er den Blick ab und betrachtete den Fragesteller.
»- behauptet, Ihre Bilder glichen einer Periode in Picassos Werk, die mit der kubistischen Ära verwandt ist – Sie wissen, als er Gesichter und Formen zu trennen begann.«
»Ich habe keine Perioden«, erwiderte Tom. »Picasso hat Perioden, ich nicht. Deshalb kann man sich bei Picasso niemals eindeutig festlegen – falls einer das wollte. Man kann unmöglich sagen: ›Ich mag Picassco‹, weil damit nie eine bestimmte Periode gemeint sein kann. Picasso spielt. Gut, soll er – aber damit zerstört er das, was sonst eine echte und integrierte Persönlichkeit sein könnte. Was ist Picassos Persönlichkeit, können Sie mir das sagen?«
Die Reporter schrieben fleißig mit.
»Welches Bild in der heutigen Ausstellung haben Sie am liebsten? Was ist Ihr Lieblingsbild?«
»Ich habe kein – nein, ich kann nicht sagen, daß ich ein Bild in dieser Ausstellung am liebsten habe. Danke schön.« Ob Derwatt wohl rauchte? Ach, zum Teufel. Tom griff nach Jeffs Zigarettenschachtel und zündete sich eine Zigarette mit dem Tischfeuerzeug an, bevor zwei der Reporter ihm Feuer geben konnten. Er lehnte sich zurück, um seinen Bart vor den Flammen zu schützen. »Vielleicht sind mir die alten am liebsten, ›Die roten Stühle‹ oder ›Die fallende Frau‹. Leider verkauft.« Der letzte Titel war eine Eingebung des Himmels. Es gab ihn wirklich.
»Wo ist das? Ich kenne es nicht, aber den Namen kenne ich«, sagte jemand.
Scheu und eremitengleich heftete Tom die Augen auf die ledergefaßte Schreibunterlage auf Jeffs Schreibtisch. »Das weiß ich nicht mehr. ›Die fallende Frau‹ – ja, ich glaube, das wurde nach Amerika verkauft.«
Die Reporter kamen mit neuen Fragen. »Sind Sie froh über Ihre Verkaufserfolge, Derwatt?«
»Wer wäre da nicht froh?«
»Sie leben in Mexiko. Inspiriert Sie das Land? In der Ausstellung sind gar keine Bilder mit mexikanischem Hintergrund.«
Das war eine kleine Hürde, aber Tom nahm sie. Er hatte eben immer aus der Phantasie gemalt.
»Können Sie wenigstens das Haus in Mexiko beschreiben, in dem Sie wohnen?« fragte Eleanor.
Ja, das konnte er. Ein einstöckiger Bau mit vier Zimmern. Ein Bananenstrauch stand davor. Jeden Morgen um zehn kam ein Mädchen aus dem Dorf zum Saubermachen; nachher kaufte sie für ihn ein und brachte frisch gebackene tortillas mit, die er mit roten Bohnen – frijoles – zu Mittag aß. Ja, Fleisch war knapp, aber es gab Ziegenfleisch. Wie das Mädchen hieß? Juana.
»Wie nennen die Dorfleute Sie – Derwatt?«
»Ja, früher schon, und sie sprachen es völlig anders aus. Jetzt nennen sie mich Filipo. Das genügt auch – mehr als Don Filipo ist nicht nötig.«
»Sie wissen also gar nicht, daß Sie Derwatt sind!«
Wieder lachte Tom leicht auf. »Ich glaube nicht, daß sie sich für die Times oder Arts Review interessieren.«
»Hat London Ihnen nicht gefehlt? Wie finden Sie die Stadt?«
»War es einfach nur ein Einfall, daß Sie jetzt zurückgekommen sind?« fragte Perkins.
»Ja. Nichts als ein Einfall.« Toms Lächeln war das weise Lächeln des

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