Ripley Under Ground
es Reisen, exotische Gerichte und Kleider. Die beiden Wandschränke in ihrem Zimmer glichen einem internationalen Kleidermuseum ohne die Puppen. Sie besaß Westen aus Tunesien, fransenbesetzte ärmellose Jacken aus Mexiko, Pluderhosen aus Griechenland, in denen sie reizend aussah, und bestickte Mäntel aus China, die sie irgendwo in London erstanden hatte.
Auf einmal fiel Tom der Graf Bertolozzi ein, und er ging ans Telefon. Lieber wäre es ihm gewesen, daß Murchison Bertolozzis Namen nicht zu hören bekam; andererseits: Tom hatte ja nicht vor, dem Grafen irgendwelchen Schaden zuzufügen, und Offenheit konnte sicher nur von Nutzen sein. Tom ließ sich die Auskunft für Mailand geben, erhielt die Nummer und gab sie der Telefonistin auf dem französischen Fernamt an, die ihm sagte, der Anruf werde in etwa einer halben Stunde durchkommen.
Mr. Murchison hatte sich umgezogen und kam jetzt herunter, in grauen Flanellhosen und einer grünschwarzen Tweedjacke. »Herrlich, auf dem Lande zu sein«, sagte er strahlend. »Aahh!« Er hatte ›Die roten Stühle‹ an der gegenüberliegenden Wand erblickt und trat näher, um das Bild zu betrachten. »Ein Meisterwerk. Das ist goldecht, das Bild.«
Allerdings, dachte Tom, und eine Woge des Stolzes durchlief ihn, die er selbst etwas albern fand. »Ja, ich hab´s auch gern.«
»Ich habe davon gehört, glaube ich. Von irgendwoher kenne ich den Titel. Ich gratuliere, Tom.«
»Und da drüben ist mein ›Mann im Sessel‹«, sagte Tom und wies mit dem Kopf auf das Bild über dem Kamin.
»Aha«, sagte Murchison in etwas anderer Tonart. Er trat näher heran, und Tom sah, wie sich die große starke Gestalt spannte vor Konzentration. »Wie alt ist das?«
»Ungefähr vier Jahre«, sagte Toni wahrheitsgemäß.
»Wenn ich sehr unhöflich sein darf: was haben Sie dafür bezahlt?«
»Viertausend Pfund. Vor der Pfundabwertung. Etwa elftausendzweihundert Dollar.« Tom hatte das Pfund mit zweiachtzig berechnet.
»Ich freue mich, das hier zu sehen«, sagte Murchison und nickte. »Sehen Sie: auch hier wieder die gleiche Purpurfarbe. Nicht viel, aber schauen Sie her.« Er zeigte auf die untere Stuhlkante. Das Bild hing hoch, und der Kamin war breit, so daß Murchisons Zeigefinger mehrere Zentimeter von der Leinwand entfernt war, aber Tom wußte, welchen Streifen er meinte. Klares Kobalt. Murchison ging quer durchs Zimmer und betrachtete noch einmal die ›Roten Stühle« in einer Entfernung von dreißig Zentimetern. »Und das hier ist eins der älteren. Auch hier klares Kobalt, das sehen Sie.«
»Und Sie glauben wirklich, der ›Mann im Sessel‹ ist eine Fälschung?«
»Ja, das glaube ich. Genau wie meine ›Uhr‹. Die Qualität ist verschieden – die ›Roten Stühle‹ sind das weit bessere Bild. Qualität ist etwas, das sich nicht mit dem Mikroskop nachmessen läßt. Hier erkenne ich sie – dies ist Klasse. Und dann – bin ich hier auch ganz sicher mit dem Kobaltblau.«
Tom gab sich unbekümmert. »Vielleicht bedeutet das, daß Derwatt beides verwendet, das Kobaltblau und auch die Mischung, von der Sie sprachen. Abwechselnd.«
Murchison runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Nein. Ich sehe es nicht so.«
Mme. Annette kam herein und schob den Teewagen vor sich her. Ein Rad knarrte etwas. »Voilà le thé, M. Tome.« Sie hatte kleine bräunliche Flachkuchen gebakken, die angenehm nach warmer Vanille dufteten. Tom schenkte den Tee ein.
Murchison saß auf dem Sofa. Es blieb ungewiß, ob er Mme. Annette überhaupt wahrgenommen hatte. Er starrte wie betäubt oder gebannt auf den ›Mann im Sessel‹. Dann blinzelte er Tom lächelnd zu, und auf seinem Gesicht stand die alte Freundlichkeit. »Sie glauben mir nicht ganz, nicht wahr? Das ist Ihr gutes Recht.«
»Ach – ich weiß nicht recht, was ich sagen soll. Ich sehe keinen Unterschied in der Qualität, das stimmt. Vielleicht bin ich da beschränkt. Wenn Sie Ihr Bild, wie Sie sagten, von einem Experten prüfen lassen, dann verlasse ich mich auf sein Urteil. Übrigens – der ›Mann im Sessel‹ ist das Bild, das Sie nach London mitnehmen können, wenn Sie wollen.«
»Ganz gewiß, das will ich gern tun. Ich werde Ihnen eine Quittung ausstellen und auch die Versicherung übernehmen.« Murchison lachte.
»Versichert ist es, das brauchen Sie nicht.«
Beim Tee erkundigte sich Murchison dann nach Heloise und was sie machte. Hatten sie Kinder? Nein. Heloise war fünfundzwanzig. Nein, Tom hielt Französinnen nicht für schwieriger als andere Frauen,
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