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Ripley Under Ground

Ripley Under Ground

Titel: Ripley Under Ground Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Heloise hatte später lachend gesagt: »Du warst grün.« Das stimmte auch. Aber er hatte es jedenfalls geschafft. Er hatte ein Wort des Lobes von Heloise erhofft, obwohl er natürlich wußte, daß das unsinnig war. Es war ja Sache des Bräutigams zu sagen: »O Liebling, du warst einfach fabelhaft!« oder »Dein Gesicht leuchtete vor Glück und Schönheit!« oder etwas ähnlich Blödsinniges. Sein Gesicht hatte jedenfalls fahlgrün ausgesehen. Aber er war wenigstens nicht auf dem Mittelgang umgefallen – der aus ein paar grauen leeren Stühlen im Amtszimmer eines Magistrats in Südfrankreich bestand. Eheschließungen müßten im geheimen vor sich gehen, dachte Tom, genauso geheim wie die Hochzeitsnacht – was auch nicht allzu geheim war. Da doch jeder bei einer Hochzeit dauernd an die Hochzeitsnacht dachte, warum ging die Sache selbst so öffentlich vor sich? Es hatte etwas Ordinäres an sich. Warum konnte man nicht einfach zu seinen Freunden und Bekannten sagen: »Wir sind ja schon drei Monate verheiratet!« Früher natürlich war der Grund für offizielle Hochzeiten leicht einzusehen. Die Familie saß da und sagte ohne Worte: Wir sind sie jetzt los, mein Lieber; aber wenn du versuchst, dich hier rauszuwinden, dann hast du die ganze Verwandtschaft der Braut auf dem Hals, die dich alle am Rost braten werden. Aber heute?
Tom ging zu Bett.
Am Sonntag früh – wieder um fünf Uhr – zog er seine Arbeitshosen an und ging leise die Treppe hinunter. Diesmal traf er Mme. Annette, die gerade die Tür von der Küche zur Diele öffnete, als er aus der Haustür treten wollte. Sie hielt ein weißes Tuch an die Wange gepreßt – sicher enthielt es heißes grobes Kochsalz –, und auf ihrem Gesicht stand ein leidender Ausdruck.
»Oh, Mme. Annette – Ihr Zahn«, sagte Tom mitfühlend.
»Ja, ich habe die ganze Nacht nicht schlafen können«, erwiderte sie. »Sie sind aber früh auf, M. Tome.«
»Verdammter Zahnarzt«, sagte Tom auf Englisch und fuhr dann französisch fort: »Was soll das auch heißen, daß ein Nerv herausfällt !« . Der Zahnarzt weiß gar nicht, was er macht. Aber mir fällt gerade ein, ich habe oben noch ein paar gelbe Tabletten aus Paris. Extra gegen Zahnschmerzen. Hören Sie zu, Mme. Annette, die nehmen Sie jetzt. Warten Sie.« Er rannte die Treppe hinauf und kam gleich darauf mit den Kapseln zurück.
Mme. Annette nahm eine und blinzelte beim Schlukken. Sie hatte blaßblaue Augen, die dünnen Augenlider, die an den Außenwinkeln etwas herabgezogen waren, sahen nordisch aus. Die Familie ihres Vaters stammte aus der Bretagne.
»Ich kann Sie heute nach Fontainebleau bringen, wenn Sie wollen«, sagte Tom. Sein und Heloises Zahnarzt wohnte dort; er wäre wahrscheinlich auch bereit, Mme. Annette am Sonntag zu behandeln.
»Warum sind Sie schon so früh auf?« Mme. Annettes Neugier war offenbar stärker als der Zahnschmerz.
»Ich will ein bißchen im Garten arbeiten und dann noch eine Stunde schlafen. Ich konnte heute nacht auch lange nicht einschlafen.«
Tom überredete sie, wieder in ihr Zimmer zu gehen, und gab ihr das Fläschchen mit den Kapseln mit. Vier in vierundzwanzig Stunden könne sie ruhig nehmen. »Lassen Sie alles liegen – Sie brauchen mir heute kein Frühstück oder Mittagessen zu machen. Ruhen Sie sich nur aus, liebe Madame.«
Dann machte sich Tom an seine Arbeit, und zwar in einem vernünftigen Tempo – jedenfalls hielt er es für vernünftig. Der Graben mußte fünf Fuß tief werden und nicht weniger. Aus dem Schuppen hatte er eine rostige, aber immerhin noch brauchbare Säge mitgebracht, mit der er dem Netzwerk der Wurzeln zu Leibe ging, ohne Rücksicht auf die feuchte Erde, die in den Zähnen der Säge steckenblieb. Er kam ganz gut voran. Es war einigermaßen hell, wenn auch die Sonne noch nicht hoch stand, als er den Graben fertig hatte und herauskletterte, wobei er sich den Sweater – leider ein hellbeiger Kaschmirsweater – vorn von oben bis unten beschmutzte. Er blickte sich um, sah jedoch niemand auf dem kleinen Fußweg, der durch den Wald führte. Nur gut, daß die Franzosen ihre Hunde nachts an die Kette legten, denn ein streunender Hund hätte ohne weiteres die Zweige, die Murchisons Leiche zudeckten, wegschnüffeln und ein Gebell anstimmen können, das man kilometerweit gehört hätte. Wieder riß Tom an dem Seil, das das Segeltuchbündel zusammenhielt. Der Körper fiel mit dumpfem Plop in die Grube. Es klang wie Musik in Toms Ohren. Auch das Zuschaufeln war jetzt ein Vergnügen.

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