Ripley Under Ground
Heloise.«
Tom verließ Christopher, der sich etwas frisch machen wollte, und sagte, er werde ihn unten finden.
Wieder gingen Toms Gedanken zu Murchison. Der Amerikaner mußte auf der Passagierliste der Fluggesellschaft fehlen. Die Polizei würde in den Pariser Hotels nachfragen und feststellen, daß er in keinem Hotel gewohnt hatte. Die Immigrationskontrolle mußte ergeben, daß Murchison am 14. und 15. Oktober im Hotel Mandeville gewohnt und dort angegeben hatte, er werde am siebzehnten wiederkommen. Toms eigener Name und seine Adresse waren im Gästebuch des Hotels Mandeville für die Nacht vom 15. Oktober angegeben. Aber er war ja bestimmt nicht der einzige Gast aus Frankreich in dieser Nacht. Ob die Polizei ihn vernehmen würde?
Christopher kam herunter. Das wellige blonde Haar war glattgekämmt, und er hatte seine Cordhosen und Stiefel anbehalten. »Hoffentlich haben Sie keine Gäste zum Essen. Dann ziehe ich mich um.«
»Nein, wir sind allein. Wir sind hier auf dem Lande; Sie können tragen, was Sie wollen.«
Christopher betrachtete Toms Bilder und verwandte mehr Aufmerksamkeit auf eine rötliche Zeichnung, einen Akt von Pascin, als auf die Gemälde. »Leben Sie das ganze Jahr hier? Das muß schön sein.«
Einen Whisky nahm er gern an. Wieder mußte Tom erklären, was er mit seiner Zeit anfing; er berichtete von der Gartenarbeit und den unregelmäßigen Sprachstudien, die er in Wirklichkeit ernster nahm, als er zugab. Aber Tom liebte und hegte seine Mußestunden, wie es – nach seiner Meinung – nur ein Amerikaner tat, wenn er es einmal gelernt hatte. Wenige lernten es je. Es war etwas, worüber er nicht gern redete. Es war diese Art von Muße, von ein wenig Luxus, von der er geträumt hatte, als er Dickie Greenleaf kennenlernte; und jetzt, da er sie hatte, genoß er sie immer noch wie am ersten Tag.
Bei Tisch begann Christopher von Dickie zu reden. Er erzählte, er habe Fotos von Dickie, die jemand in Mongibello aufgenommen hatte; auf einem sei auch Tom mit drauf. Es fiel ihm nicht ganz leicht, von Dickies Tod zu reden – von seinem Selbstmord, wie man allgemein annahm. Tom sah, Chris besaß nicht nur Manieren, sondern noch etwas Besseres: Feingefühl. Das Kerzenlicht in der Iris der blauen Augen faszinierte Tom: so hatten auch Dickies Augen oft ausgesehen, spätabends in Mongibello oder in einem kerzenerhellten Restaurant in Neapel.
Christopher, groß und schlank, stand im Zimmer und blickte auf die Glastür und die gelblich getäfelte Zimmerdecke. »Phantastisch, in so einem Haus zu leben«, sagte er. »Und dann noch Musik – und Bilder!«
Wieder kam Tom die schmerzliche Erinnerung an sich selbst, als er zwanzig war. Chris´ Familie war sicher nicht arm, immerhin – ganz so wie dieses war ihr Haus wohl nicht. Tom legte eine Platte auf, und sie lauschten der Musik zum Sommernachtstraum, während sie Kaffee tranken.
Das Telefon klingelte. Es war etwa zehn Uhr.
Die französische Telefonistin fragte ihn, ob seine Nummer so-und-so sei, und sagte dann, es käme ein Anruf aus London.
»Hallo. Hier Bernard Tufts«, sagte die angespannte Stimme. Dann folgten knackende Geräusche in der Leitung.
»Hallo – hallo? Ja, hier ist Tom. Hörst du mich?«
»Kannst du etwas lauter sprechen? Ich wollte dir sagen . . .« Bernards Stimme wurde leiser und versank dann wie in tiefem Wasser.
Tom warf einen Blick auf Chris, der den Text auf einer Plattentasche studierte. »Ist es jetzt besser?« schrie er ins Telefon, und wie zum Trotz gab der Apparat einen Furz von sich, und dann krachte es wie auf einem Berg, den ein Blitzschlag trifft. Toms linkes Ohr schmerzte von dem Lärm, und er legte den Hörer an das rechte Ohr. Er hörte, wie Bernard sich bemühte, seine Worte laut und langsam herauszubringen, aber zu verstehen war nichts. Tom hörte nur »Murchison . . .« und schrie: »Der ist doch in London!«, erleichtert, daß er etwas Definitives mitzuteilen hatte. Jetzt kam etwas über das Hotel Mandeville. Ob der Mann von der Tate Galerie vielleicht versucht hatte, Murchison im Hotel zu erreichen, und sich dann an die Galerie Buckmaster gewandt hatte? »Es hat keinen Zweck, Bernard!« rief Tom verzweifelt. »Kannst du mir schreiben?« Er wußte nicht, ob Bernard aufgelegt hatte; jedenfalls folgte ein surrendes Schweigen. Bernard hatte es wohl aufgegeben. Tom legte ebenfalls den Hörer auf die Gabel und sagte: »Und dafür bezahlt man hier hundertzwanzig Dollar – nur um ein Telefon ins Haus zu kriegen! Entschuldigen Sie das
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