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Ripley Under Ground

Ripley Under Ground

Titel: Ripley Under Ground Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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»Nein, ich habe Mr. Murchison nie gesehen.«
»Um welche Zeit hatte M. Murchison am Donnerstag das Haus verlassen, Mme. Annette? Wissen Sie das wohl noch?«
»Oh, vielleicht um – es war gleich nach dem Essen. Das Essen hatte ich etwas früher als sonst gemacht. Ich möchte sagen, um halb drei ist er gegangen.«
Tom sagte nichts. Mme. Annette hatte sich nicht geirrt.
Der Inspektor wandte sich an Tom. »Hat er irgendwelche Bekannten in Paris erwähnt? Verzeihung, Madame, ich kann genausogut französisch sprechen.«
Doch die Unterhaltung ging in beiden Sprachen weiter. Manchmal übersetzte Tom, manchmal Webster für Mme. Annette, denn Webster wollte hören, ob und was sie dazu zu sagen hatte.
Murchison hatte niemanden in Paris erwähnt, und Tom sagte, er glaube nicht, daß Murchison in Orly irgend jemanden hatte treffen wollen.
»Ja. Immerhin – sein Verschwinden und das seines Bildes – da könnte es einen Zusammenhang geben«, meinte Webster. (Tom erklärte Mme. Annette, Murchison habe ein Bild bei sich gehabt, das in Orly gestohlen worden sei, und Mme. Annette gab eifrig an, sie erinnere sich sehr gut an das Bild, das vor der Abreise des Herrn in der Diele neben seinem Koffer gestanden habe. Sie konnte nur einen ganz kurzen Blick darauf geworfen haben, dachte Tom, aber für ihn war es Glück. Webster hätte sonst vielleicht Tom verdächtigt, das Bild vernichtet zu haben.) »Dieser Derwatt-Konzern, wie man ihn wohl mit einigem Recht nennen kann, ist ein großes Unternehmen, wissen Sie. Es geht da nicht nur um den Maler Derwatt selber. Seinen beiden Freunden, Constant und Banbury, gehört die Galerie Buckmaster, das ist so eine Art Nebengeschäft für ihre eigene Arbeit – der eine ist ja wohl Journalist und der andere Fotograf. Dann ist da noch eine Firma Derwatt für Malereibedarf, und schließlich die Derwatt-Kunstschule in Perugia. Wenn da wirklich Fälschungen vorliegen und die alle daran beteiligt sind, dann wäre das allerdings eine Bombensache.« Er wandte sich an Bernard. »Sie kennen doch Mr. Constant und Mr. Banbury auch, nicht wahr, Mr. Tufts?«
Wieder wurde Tom von kaltem Schrecken gepackt. Das konnte Webster nur wissen, wenn er sich eingehend erkundigt und nachgeforscht hatte: seit Jahren hatte Ed Banbury in seinen Artikeln nicht mehr erwähnt, daß Bernard zu der kleinen frühen Gruppe von Derwatts Freunden gehört hatte.
»Ja, die kenne ich.« Bernards Stimme klang tonlos, aber ganz ruhig.
»Haben Sie Derwatt in London gesprochen?« fragte Tom den Inspektor.
»Er war ja nicht zu finden!« Webster strahlte beinahe. »Nicht, daß ich mich besonders bemüht habe, aber ein Kollege hat alles mögliche versucht, nachdem Murchison verschwunden war. Und was noch merkwürdiger ist« – hier schaltete er wieder um auf Französisch, damit Mme. Annette folgen konnte –, »nirgends ist festzustellen, daß Derwatt in der letzten Zeit nach England eingereist ist, von Mexiko oder sonstwoher. Nicht nur in den letzten Tagen, da muß er ja vermutlich angekommen sein, sondern auch die ganzen letzten Jahre nicht. Die letzte Eintragung in der Immigrationsbehörde besagt, daß Philip Derwatt das Land vor sechs Jahren verlassen hat, und zwar mit dem Reiseziel Griechenland. Wir haben keinerlei Angaben, daß er je zurückgekommen ist. Sie wissen vielleicht: er soll damals irgendwo in Griechenland ertrunken sein oder sich das Leben genommen haben.«
Bernard saß vornübergebückt, die Arme auf den Knien. Hielt er stand? Oder war er im Begriff, alles preiszugeben?
»Ja, das habe ich gehört«, sagte Tom. Und dann zu Mme. Annette: »Wir sprechen von einem Maler, Derwatt, der sich das Leben genommen haben soll.«
»Ja, Madame«, sagte Webster höflich, »entschuldigen Sie uns einen Moment. Wenn etwas Wichtiges kommt, werde ich es übersetzen.« Und dann zu Tom: »Es sieht also so aus, als sei Derwatt nach England hinein- und vielleicht auch wieder herausgekommen wie weiland der Scarlet Pimpernel oder wie ein Geist.« Er lachte und fragte dann Bernard: »Mr. Tufts, Sie haben Derwatt doch früher gekannt, soviel ich weiß. Haben Sie ihn in London gesehen?«
»Nein.«
»Aber Sie sind doch sicher zu seiner Ausstellung gegangen?« Websters strahlendes Lächeln war ein irrer Kontrast zu Bernards düsterer Miene.
»Nein. Ich werde vielleicht später gehen«, sagte Bernard ernst. »Im Augenblick – regt mich alles auf, das mit ihm zusammenhängt.«
»Warum das?« Webster schien Bernard jetzt mit anderen Augen anzusehen.
»Weil –

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