Ripley Under Water
entschieden fest und nahm noch einen wohltuenden Schluck von seinem Longdrink. »Das mit dem Teich, davon wissen wir nichts. Und wir waren nicht mal in der Nähe des Hauses.« Tom sprach leise, trat näher an Ed heran. »Wer weiß, daß dieses – Bündel jemals hier war? Wer wird uns dazu Fragen stellen? Niemand. Du und ich, wir sind nach Fontainebleau gefahren, haben uns schließlich aber doch entschieden, nichts mehr trinken zu gehen, und sind umgekehrt. Weg waren wir… keine Dreiviertelstunde. Das kommt etwa hin.«
Ed nickte, sah wieder zu Tom auf. »Stimmt.«
Tom zündete sich eine Zigarette an und setzte sich auf einen Stuhl. »Ich weiß, das zerrt an den Nerven. Habe schon Schlimmeres tun müssen. Viel, viel Schlimmeres.« Er lachte. »Also, wann willst du morgen früh deinen Kaffee ans Bett gebracht haben? Oder Tee? Du solltest dich ausschlafen, Ed.«
»Lieber Tee. Das hat Stil, erst Tee, dann unten etwas – anderes.« Der Versuch eines Lächelns. »Sagen wir, neun, Viertel vor neun?«
»Gut. Madame Annette liebt es nämlich, unsere Gäste zu verwöhnen. Ich leg ihr einen Zettel hin. Aber ich werde wohl vor neun aufstehen – und sie ist in der Regel kurz nach sieben auf«, verkündete Tom gut gelaunt. »Dann geht sie gern zum Bäcker und holt frische Croissants.«
Die Bäckerei, fiel ihm ein, die Nachrichtenzentrale: Was würde Madame Annette morgen um acht Neues zu berichten haben?
22
Kurz nach acht erwachte Tom. Vor seinem angelehnten Fenster sangen die Vögel; es versprach wieder ein sonniger Tag zu werden. Er ging zu seiner Marinekommode (zwanghaft und neurotisch fand er das) und tastete in der Sockenschublade ganz unten einen bestimmten schwarzen Wollstrumpf auf einen kleinen Klumpen hin ab, Murchisons Highschool-Ring: Er war noch da. Tom drückte die Schublade wieder zu. In der Nacht hatte er den Ring dort versteckt – er hätte nicht schlafen können, wenn er ihn einfach in der Hosentasche gelassen hätte. Dann bräuchte er zum Beispiel die Hose nur gedankenlos über die Stuhllehne zu hängen, und der Ring fiele auf den Teppich, wo jeder ihn sehen konnte.
Tom duschte, rasierte sich, zog wieder die Levis an, dazu ein frisches Hemd, und ging leise nach unten. Eds Tür war geschlossen, er schlief hoffentlich noch.
»Bonjour, Madame!« sagte Tom, fröhlicher als sonst, das merkte er.
Madame Annette erwiderte sein Lächeln und meinte, wie herrlich das Wetter sei – noch ein schöner Tag. »Und jetzt Ihr café, Monsieur.« Sie ging in die Küche.
Irgendwelche schlechten Nachrichten hätte sie ihm bereits mitgeteilt, dachte Tom. Zwar war sie womöglich noch gar nicht beim Bäcker gewesen, doch hätte eine Freundin sie anrufen können. Nur Geduld, sagte er sich. Um so überraschender käme die Nachricht dann, und überrascht müßte er wirken, soviel stand fest.
Nach dem ersten Kaffee ging er hinaus, schnitt zwei blühende Dahlien und drei reizvolle Rosen und holte die passenden Vasen dafür aus der Küche. Seine Haushälterin half ihm dabei.
Dann nahm er einen Besen mit hinaus zur Garage und fegte dort erst einmal schnell durch. Der Boden war so sauber, so frei von Staub und Blättern, daß er den Kehricht vor der Garage im Kies verschwinden lassen konnte. Tom öffnete die Heckklappe des Kombi, fegte die grauen Bröckchen vom Wagenboden (so wenige, daß er sie nicht einmal zählte) und verteilte auch sie schließlich im Kies.
Vielleicht wäre es keine schlechte Idee, am Vormittag nach Moret zu fahren. Ein kleiner Ausflug für Ed, außerdem könnte er den Ring dort im Fluß loswerden. Und womöglich hatte Héloïse bis dahin schon angerufen und die Ankunftszeit ihres Zugs durchgesagt – Tom hoffte sogar darauf. Alles ließ sich verbinden: der Umweg nach Moret, Fontainebleau und die Rückfahrt im Kombi, der bestimmt groß genug war für alle Koffer, die sie zusätzlich gekauft haben mochte.
Mit der Post kurz nach halb zehn kam eine Karte von ihr, vor zehn Tagen in Marrakesch aufgegeben. Typisch – wie hätte er sich darüber in der letzten Woche gefreut, einer Wüste ohne ein Wort von ihr! Das Foto zeigte eine Marktszene mit Frauen mit gestreiften Kopftüchern.
Lieber Tom,
wieder Kamele, aber mehr Spaß! Wir haben zwei Männer kennengelernt – aus Lille! Amusants , und abends nett für das Essen. Beide machen Urlaub von ihren Frauen. Bises von Noëlle. Je t’embrasse,
Küsse, H.
Offenbar Urlaub von ihren, nicht aber von den Frauen. »Nett für das Essen«: als hätten Héloïse und
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