Ripley Under Water
ja Héloïse und Belle Ombre und die feine Küche von Madame Annette. Er hat seinen Garten, den Weinkeller, Scarlattis Cembalo-Sonaten und sicherlich nicht das Gefühl, irgendetwas zu vermissen.
Und genau an diesem Punkt knüpft Ripley Under Water (1991) an. Fern davon, neue Verbrechenspläne zu schmieden, sieht Tom Ripley sich in seiner Wohnburg belagert, unter Druck gesetzt und bedroht. Ein merkwürdiges amerikanisches Ehepaar behelligt ihn mit ominösen Anspielungen und droht seine kriminelle Vergangenheit ans Licht zu zerren, sie buchstäblich aus dem flachen Wasser eines Kanals bei Villeperce zu fischen: die Leiche des amerikanischen Weinhändlers Murchison, den Tom im zweiten Band mit einer Flasche erschlug. How disagreeable!
Der fünfte Band der Ripley-Serie wurde von den Rezensenten mit wenig Begeisterung aufgenommen. Tatsächlich wirkt er langsamer als seine Vorgänger, mit wenig äußerer Handlung und einem ungewöhnlich ruhigen Finale – als müßte jemand, nachdem die Bedrohung gebannt ist, auf Anraten des Arztes einige tiefe Atemzüge tun und danach einen Spaziergang im Freien wagen. Als brauchte die Welt, die eben noch geschwankt hat, Stunden, um ihr Gleichgewicht wiederzugewinnen. Eine merkwürdige Stimmung durchzieht das Buch, Morbidität, Melancholie, Angst vor dem Wahnsinn, dazu eine kaum erklärliche Sehnsucht nach den Fetischen materieller Sicherheit. In keinem der vorherigen Ripley-Bände betrachtet der Hausherr so andächtig seinen Besitz, pflegt so hingebungsvoll seine Pflanzen, schneidet so viele Blumen, damit das Gästezimmer einen hübschen Anblick bietet. Vergessen wir nicht, daß er mit seinem Landgut schon immer ein bißchen renommieren wollte. Doch jetzt hat die Attitüde eine andere Dringlichkeit. Die auf Mord und Betrug gebaute Ripley-Welt, sie erscheint plötzlich kostbar und zerbrechlich.
Spiegelbildlich zum ersten Band, der die Selbsterschaffung eines ichschwachen Menschen als kalkuliertes Maskenspiel vorführt, zeigt der letzte Roman die Brüchigkeit des so komfortabel wirkenden Identitätspanzers. Diese Wendung war kaum zu erwarten, und sie stellt das eigentlich Kühne an Ripley Under Water dar. Was Tom materiell angehäuft hat, liegt dort im französischen Sonnenschein vor seiner Nase, aber er darf sich nicht darauf verlassen. Denn die Bedrohung kommt aus dem Nichts, ohne rechtes Motiv, ein Landsmann mit einer billigen Armbanduhr und einem Namen, Pritchard, über den die Romanfiguren unablässig schlüpfrige Wortspiele erfinden. Kein würdiger Gegner für den souveränen Ripley, den wir kennen! Und doch völlig ausreichend. Als letzter Teil eines fünfaktigen Dramas gelesen, beschert der Roman seinem erfolgverwöhnten Helden mit allerkleinstem Aufwand Furcht und Zittern, läßt ihn zappeln, zweifeln und sich auf die Unterlippe beißen, bevor er ihn gnädig aus den Klauen läßt. Keine Katharsis, keine Läuterung, nur Erleichterung.
Das existentielle Format der Bedrohung erlaubt Rückschlüsse auf die Stabilität des Helden. Offensichtlich hatte Patricia Highsmith nie einen fugenlosen Charakter im Sinn, keinen Mörder, der sich zufriedengibt und das Geschehen der äußeren Welt an sich abperlen läßt. Nein, die literarische Figur lebt mit und nimmt Anteil an der Gedankenwelt der Autorin. Wie schwierig die Schreibaufgabe war, ergibt sich aus einer schlichten Rechenkalkulation: Während Tom Ripley in der Fiktion nur um wenige Jahre altert, vergeht für Patricia Highsmith ein halbes Leben. Der talentierte Mr. Ripley ist der vierte Roman einer Vierunddreißigjährigen, die Feier des mediterranen Europa und einer sonnenbeschienenen Amoralität, nicht zuletzt: der endgültige Schritt einer amerikanischen Schriftstellerin in die internationale Karriere. Ripley Under Water aus dem Jahr 1991 dagegen markiert schon die Zielgerade. Es ist der einundzwanzigste Roman einer Siebzigjährigen, die auf ein großes Lebenswerk von staunenswerter Konsistenz zurückblickt. In der eben vergangenen Etappe ist ihr Name sogar auf der Kandidatenliste des Literaturnobelpreises aufgetaucht.
Gewiß, Patricia Highsmith achtet so pingelig wie eh und je auf ihre Finanzen, vermerkt anerkennend, wenn Verleger sich bei Flugreisen und Unterkunft großzügig zeigen. Doch die Sorgen sind schon auf das Jenseits gerichtet: Wer wird das Geld einmal bekommen, das sie bei ihrem Tod hinterläßt? Die amerikanische Steuerbehörde? Oder die Schweiz, deren Staatsbürgerschaft sie in den späten achtziger Jahren
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