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Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Pritchard war schon eingetroffen und stand an der Theke, sichtlich unsicher. »Mr.   Ripley.« Sie schenkte ihm ein warmes Lächeln.
    Tom nickte, ignorierte jedoch die Hand, die sie ihm entgegenstreckte. »Guten Tag. Wie wäre es mit einem Tisch in der Nische?«
    Sie fanden einen. Tom bestellte Tee für die Dame und einen Espresso für sich.
    »Was macht Ihr Mann denn heute?« fragte er freundlich lächelnd und erwartete, sie würde sagen, er sei im INSEAD , in Fontainebleau. In diesem Fall würde er genauer nachfragen, was ihr Mann denn dort studiere.
    »Heute ist sein Massage-Nachmittag.« Janice Pritchard wiegte den Kopf hin und her. »In Fontainebleau. Ich soll ihn um halb fünf abholen.«
    »Massage? Hat er Rückenschmerzen?« Das Wort Massage war Tom unangenehm; er dachte dabei an Sex und Bordelle, obwohl er wußte, daß es auch anständige Massagesalons gab.
    »Nein.« Janices Gesicht wirkte gequält. Ihr starrer Blick wanderte zwischen Tom und dem Tisch hin und her. »Er will das einfach. Überall, egal wo, zweimal die Woche mindestens.«
    Tom mußte schlucken, die Unterhaltung war ihm zuwider; die lauten Rufe nach »un Ricard« und das Triumphgeschrei der Männer an den Spielautomaten waren angenehmer als Janice’ Ausführungen über ihren abartigen Gatten.
    »Ich meine, selbst wenn wir in Paris sind – er findet sofort einen Massagesalon.«
    »Eigenartig«, murmelte Tom. »Und was hat er gegen mich ?«
    »Gegen Sie?« Als überrasche sie die Frage. »Na, gar nichts. Er hat Respekt vor Ihnen.« Sie sah ihm in die Augen.
    Das wußte Tom. »Warum behauptet er, am INSEAD zu studieren, wenn das nicht stimmt?«
    »Ach, das wissen Sie?« Ihr Blick wirkte nun ruhiger, amüsiert, ja verschmitzt.
    »Nein. Ich weiß gar nichts. Ich glaube nur einfach nicht alles, was Ihr Mann sagt.«
    Janice’ Kichern klang seltsam schadenfroh.
    Tom lächelte nicht, ihm war nicht danach. Er beobachtete Janice, die ihr rechtes Handgelenk mit dem Daumen rieb, eine Art unbewußte Massage. Sie trug ein sauberes, weißes, frischgestärktes Hemd über derselben blauen Hose wie neulich und unter dem Hemdkragen ein türkisblaues Halsband (nicht echt, aber hübsch). Und jetzt, als ihr massierender Daumen den Hemdsärmel zurückschob, bemerkte Tom eindeutige blaue Flecken und begriff, daß der blaue Fleck links am Hals auch ein Bluterguß war. Ob sie wollte, daß er die Stellen sah? »Tja«, sagte Tom schließlich, »wenn er keine Kurse am INSEAD belegt…«
    »Er erzählt gern ausgefallene Geschichten.« Janice sah hinab auf den Aschenbecher, in dem drei Kippen von anderen Gästen lagen, eine davon mit Filter.
    Tom gab sich alle Mühe, daß sein nachsichtiges Lächeln nicht aufgesetzt wirkte. »Aber selbstverständlich lieben Sie ihn trotzdem.« Janice zögerte, runzelte die Stirn. Sie spielte jetzt das bedrängte Burgfräulein, das spürte Tom, oder etwas in der Richtung, und genoß es offenbar, daß er sie hervorlockte.
    »Er braucht mich. Ich weiß nicht, ob er – ich meine, ob ich ihn liebe.« Sie sah auf.
    Herrgott, als ob das wichtig wäre, dachte Tom. »Um eine sehr amerikanische Frage zu stellen: Was macht er beruflich? Woher kommt sein Geld?«
    Auf einmal glättete sich ihre Stirn. »Ach, das ist kein Problem. Seine Familie hat mit Bauholz gehandelt, oben im Staate Washington. Als der Vater starb, wurde die Firma verkauft. David und sein Bruder bekamen je die Hälfte. Das ganze Geld ist irgendwie angelegt, und davon lebt er nun.«
    Wie Janice »irgendwie« sagte, verriet Tom, daß sie von Aktien und Anleihen rein gar nichts verstand. »In der Schweiz?«
    »Nein – eine Bank in New York, die regelt das alles. Wir kommen damit aus, aber David ist es immer zuwenig.« Janice lächelte nachsichtig, als redete sie von einem Kind, dem ein Stück Kuchen nie genug war. »Ich glaube, Davids Vater hat die Geduld verloren und seinen Sohn aus dem Haus geworfen, als David Anfang zwanzig war und nicht arbeiten wollte. Selbst damals bekam er genug Geld von zu Hause, doch er wollte mehr.«
    Tom glaubte das gerne: Geschenktes Geld förderte die Flucht in die Phantasie, die zu Pritchards Leben dazugehörte, garantierte den Fortbestand des Unwirklichen und zugleich den gutgefüllten Kühlschrank, das Essen auf dem Tisch.
    Tom nippte an seinem Espresso. »Warum wollten Sie mich sprechen?«
    »Ach so…« Als wecke die Frage sie aus einem Traum. Sie schüttelte kurz den Kopf und sah Tom an. »Um Ihnen zu sagen, daß er ein Spiel mit Ihnen spielt. Er

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