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Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Segeltuchplane würde verrotten, mehr als die Hälfte womöglich verschwinden; dadurch dürften die Steine herausfallen, weshalb die Leiche leichter abtreiben würde oder gar ein Stück weit aufsteigen, sofern noch Fleisch vorhanden war. Aber Leichen trieben doch nur nach oben, weil sie sich aufblähten, oder? Tom fiel das Wort »Mazeration« ein, das Ablösen der äußeren Hautschichten. Und was kam dann? Knabbernde Fische? Oder würde die Strömung das Fleisch Stück für Stück abreißen, bis nur noch Knochen übrigblieben? Die Blähphase mußte längst vorbei sein. Wo konnte er Informationen über Leichen wie Murchisons finden?
    Am nächsten Morgen teilte Tom nach dem Frühstück Madame Annette mit, er werde nach Fontainebleau oder vielleicht nach Nemours fahren, wegen einer Gartenschere. Ob sie etwas brauche?
    Nein, danke, antwortete sie, wirkte dabei aber so, als werde ihr womöglich vor seiner Abfahrt noch etwas einfallen. Tom kannte das inzwischen bei ihr.
    Da er nichts von ihr hörte, fuhr Tom noch vor zehn los. Zuerst wollte er es in Nemours probieren. Wieder nahm er ihm unbekannte Seitenstraßen, weil er reichlich Zeit hatte. Und zur Orientierung brauchte er nur einen Blick auf den nächsten Wegweiser zu werfen. Unterwegs hielt er und tankte. Er fuhr den braunen Renault.
    Tom nahm eine Straße nach Norden; er wollte nach ein paar Kilometern links abbiegen, in Richtung Nemours. Durch das offene Fenster sah er Wiesen und Felder, einen Traktor, der langsam über gelbe Stoppeln rollte. Er überholte ebensooft Landmaschinen mit großen Hinterrädern und Vierradantrieb wie andere Autos. Dann noch ein Kanal mit dem schwarzen Bogen einer Brücke und idyllischen Baumgruppen an beiden Enden. Sein Weg führte ihn über die Brücke. Er fuhr langsam, denn hinter ihm war niemand, den er hätte aufhalten können.
    Kaum war er auf die schwarze Eisenbrücke gerollt, als er bei einem kurzen Blick nach rechts zwei Männer in einem Ruderboot entdeckte. Einer saß und faßte etwas, das einem sehr breiten Rechen ähnelte. Der stehende Mann hob ein Tau mit der Rechten hoch. Tom sah kurz auf die Straße, dann wieder hinab auf die Männer, die ihn nicht beachteten.
    Der Sitzende, helles Hemd, schwarzes Haar, war kein Geringerer als David Pritchard; den Stehenden (beige Hose, beiges Hemd, groß und blond) kannte Tom nicht. Sie hantierten mit einem mindestens meterbreiten Rechen, an dem wenigstens sechs kleine Haken hingen – wären sie größer gewesen, hätte Tom auf Enterhaken oder Wurfanker getippt.
    So weit, so schlecht. Die beiden waren derart in ihre Arbeit vertieft, daß sie nicht einmal zu seinem Wagen aufschauten, der Pritchard inzwischen einigermaßen vertraut sein dürfte. Andererseits wurde Tom klar, daß es nur Pritchards Ego stärken würde, den Wagen wiederzuerkennen: Tom Ripley machte sich so viel Sorgen, daß er herumfuhr, um zu sehen, was Pritchard vorhatte. Und was hatte der Mann zu verlieren?
    Der Außenbordmotor des Bootes war Tom nicht entgangen. Und vielleicht hatten sie zwei solcher rechenartigen Dinger mit Haken an Bord?
    Für Tom war es ein schwacher Trost, daß sich die beiden jedesmal gegen die Kanalböschung drücken mußten, wenn ein Flußkahn entgegenkam, oder ganz verschwinden, falls zwei Kähne aneinander vorbeiwollten. Pritchard und sein Begleiter schienen es ernst zu meinen und die Sache durchziehen zu wollen. Vielleicht bezahlte Pritchard seinen Helfer außerdem gut? Ob er bei dem Paar übernachtete? Und wer war er – kam er aus der Gegend oder aus Paris? Was hatte Pritchard ihm gesagt, wonach sie suchten? Womöglich wußte Agnès Grais etwas über den blonden Unbekannten.
    Wie groß war die Gefahr, daß Pritchard Murchison fand? Augenblicklich war er rund zwölf Kilometer von seiner Beute entfernt.
    Von rechts schoß eine Krähe über Tom herab und krächzte ein häßliches, unverschämtes »Kaa, kaa, kaa!« Es klang wie Gelächter. Über wen lachte der Vogel – über ihn oder Pritchard? Natürlich über Pritchard! Toms Hand krallte sich fest um das Lenkrad. Er lächelte: Pritchard, der lästige, allzu neugierige Hurensohn, würde bekommen, was er verdiente.

17
    Seit Tagen hatte Tom nichts von Héloïse gehört. Er konnte nur annehmen, daß sie und Noëlle noch in Casablanca waren und ein paar Postkarten nach Villeperce geschrieben hatten, die wahrscheinlich einige Tage nach Héloïse’ Rückkehr eintreffen würden. Wäre nicht das erste Mal.
    Tom war unruhig. Er rief die Cleggs an und

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