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Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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arbeitete er energisch im Garten, stach den Spaten in die Erde und zog die Rabattenränder scharf nach, die Henri ausgelassen hatte. Von seinen Aufgaben hatte Henri ganz eigene Vorstellungen: Was Pflanzen anging, war er in gewissem Maße durchaus praktisch, ja sogar weise, ließ sich aber immer wieder ablenken und arbeitete dort übergründlich, wo es nicht weiter wichtig war. Andererseits war Henri weder teuer noch unehrlich, und Tom sagte sich, daß er nicht klagen könne.
    Nach dieser anstrengenden Arbeit duschte er und las in seiner Oscar-Wilde-Biographie. Wie Madame Annette vorausgesagt hatte, freute ihn die Aussicht, Besuch zu bekommen. Er sah sogar in Télé 7   Jours nach, was es am Abend im Fernsehen geben werde.
    Er fand nichts, was ihn wirklich reizte, außer einer Sendung um zehn – für den Fall, daß ihm nichts Besseres einfallen sollte. Tatsächlich schaltete er um zehn Uhr ein, fünf Minuten später aber wieder aus, nahm die Taschenlampe und ging auf einen Espresso zu Georges’ und Maries bar-tabac.
    Die Männer saßen wieder über ihren Karten, die Spielautomaten klackerten und ratterten. Aber Tom hörte nichts von David Pritchard, dem seltsamen Angler: Vermutlich war der Mann abends zu müde, um in die Bar zu gehen, auf ein spätes Bier oder was immer er trank. Tom sah zur Tür, wenn jemand hereinkam. Er hatte gezahlt und wollte gerade gehen, als sie wieder aufschwang und ein kurzer Blick ihm verriet, daß Pritchards Begleiter Teddy die Bar betreten hatte.
    Der junge Mann, anscheinend allein, war frisch geduscht und sauber in beigem Hemd und hellen Chinos, wirkte aber etwas mürrisch. Vielleicht war er auch einfach nur müde.
    »Encore un express, Georges, s’il vous plaît«, sagte Tom.
    »Et bien sûr, M’sieur Ripley.« Der rundliche Wirt wandte sich der Espressomaschine zu, ohne ihn auch nur anzusehen.
    Der Mann namens Teddy schien Tom nicht bemerkt zu haben (falls Pritchard ihm Tom denn je gezeigt hatte); er suchte sich einen Stehplatz an der Theke nahe der Tür. Marie brachte ihm ein Bier und begrüßte ihn, als habe sie ihn schon einmal gesehen, fand Tom. Allerdings konnte er nicht hören, was sie sagte.
    Tom beschloß, das Risiko einzugehen: Er würde Teddy öfter anschauen, als ein Fremder das täte – mal sehen, ob der Mann irgendwie verriet, daß er ihn wiedererkannte. Aber da kam nichts.
    Teddy starrte finster in sein Bier, wechselte kurz ein paar Worte mit dem Gast zu seiner Linken, doch ohne zu lächeln.
    Dachte er daran, Pritchard den Dienst aufzukündigen? Vermißte er die Freundin in Paris? Hatte er die Atmosphäre im Haus der Pritchards satt, weil David und Janice so eine seltsame Beziehung führten? Konnte er hören, wie Pritchard im Schlafzimmer seine Frau schlug, wenn er tags zuvor wieder nichts gefunden hatte? Wahrscheinlich wollte Teddy nur mal andere Luft atmen. Nach seinen Händen zu urteilen, war er ein Kraftmensch, kein Kopfmensch. Ein Musikstudent? Tom wußte, daß sich an manchen amerikanischen Colleges die Lehrpläne sowieso wie die einer Handelsschule lasen – man mußte Musik weder mögen noch irgend etwas darüber wissen, wenn man »Musikstudent« war; einzig der Abschluß zählte. Teddy war über eins achtzig, und je eher er von hier verschwand, desto glücklicher wäre Tom.
    Er zahlte seinen zweiten Kaffee und ging zur Tür. Gerade als er am Spielautomaten vorbeikam, rammte der Motorradfahrer auf dem Bildschirm ein Hindernis. Den Zusammenstoß simulierte das Stakkato eines aufblitzenden Sterns, der schließlich stetig weiterblinkte: Ende des Spiels. GELD EINWERFEN GELD EINWERFEN GELD EINWERFEN. Die leisen Seufzer der Zuschauer gingen in Gelächter über.
    Der Mann namens Teddy hatte kein einziges Mal zu ihm herübergesehen. Tom schloß daraus, daß Pritchard ihm nicht erzählt hatte, wonach sie suchten (Murchisons Leiche). Womöglich hatte er gesagt, sie seien hinter dem Schmuck einer gesunkenen Jacht her. Einem Koffer voller Wertsachen? Aber wie Tom es sah, hatte Pritchard verschwiegen, daß der Job mit einem Nachbarn aus seinem Dorf zu tun hatte.
    Als Tom sich in der Tür umsah, hockte Teddy immer noch über seinem Bier. Ohne mit irgendwem zu reden.
    Da es warm war und die Aussicht auf ein Menü mit Hummer Madame Annette zu beflügeln schien, bot Tom ihr an, nach Fontainebleau zu fahren, ihr beim Einkaufen zu helfen und im besten Fischgeschäft vorbeizuschauen. Obwohl man Madame Annette zu solchen Ausflügen sonst stets zweimal bitten mußte, konnte er sie

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