Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
Vom Netzwerk:
war das Geld so wirklich und handfest und nützlich, und dabei doch nicht annähernd so handfest und bedeutungsvoll wie die beiden Toten, die Simone gesehen hatte. Tom fuhr ziemlich schnell. Jonathan war es egal, ob sie gegen einen Baum fuhren oder von der Straße abkamen. »Im Grunde«, fuhr er fort, »geht es schlicht und einfach um die Leichen. Darum, daß ich es getan oder dabei geholfen habe. Ich glaube nicht, daß sie es sich noch einmal anders überlegt.« Was hülfe es dem Menschen… Jonathan hätte laut loslachen können. Er hatte weder die ganze Welt gewonnen noch Schaden an seiner Seele genommen. [348]  Außerdem glaubte er sowieso nicht an eine Seele. Selbstachtung, daran schon eher. Seine Selbstachtung hatte er nicht verloren, nur Simone. Aber Simone stand für Stärke, und war nicht Stärke gleich Selbstachtung?
    Auch Tom glaubte nicht, daß Simone Jonathan noch eine Chance geben würde, aber er schwieg lieber. Vielleicht konnte er zu Hause mit ihm reden – nur, was sollte er sagen? Sollte er ihn trösten, ihm Hoffnung auf eine Versöhnung machen, an die er selber im Grunde nicht glaubte? Andererseits, wer kannte schon die Frauen? Manchmal wirken sie moralisch standfester als Männer, doch dann wieder, besonders wenn er an die üblen Machenschaften der Politikerschweine dachte, die sie nicht selten heirateten, schienen ihm Frauen flexibler zu sein als Männer, so als falle ihnen die Doppelmoral leichter. Leider war nun Simone die unbeugsame Rechtschaffenheit in Person. Hatte Jonathan nicht erwähnt, sie gehe auch regelmäßig zur Kirche? In diesem Augenblick dachte Tom aber auch an Reeves Minot. Der Mann war nervös geworden, auch wenn es dazu aus seiner Sicht keinen echten Grund gab. Unvermittelt fand sich Tom vor der Abzweigung nach Villeperce wieder und steuerte den Wagen langsam durch die stillen, vertrauten Straßen.
    Und da war Belle Ombre, hinter den hohen Pappeln, und über dem Eingang brannte das Licht. Alles wirkte unberührt.
    Er hatte gerade Kaffee gekocht, als Jonathan sagte, er wolle auch eine Tasse. Tom trug Kanne und Brandyflasche zum Couchtisch.
    »Apropos Probleme«, sagte er, »Reeves will nach [349]  Frankreich kommen. Ich habe ihn heute von Sens aus angerufen. Er ist in Ascona, in einem Hotel namens Drei Bären.«
    »Ja, ich weiß«, sagte Jonathan.
    »Er bildet sich ein, er werde beobachtet, und zwar von Leuten auf der Straße. Ich habe ihm gesagt, unsere Gegner würden sich mit so etwas gar nicht erst aufhalten. Er sollte das eigentlich wissen. Ich habe versucht, ihn davon abzubringen, nach Paris zu kommen, geschweige denn hierher, in mein Haus. Belle Ombre scheint mir jetzt nicht gerade der sicherste Ort auf der Welt, oder? Natürlich konnte ich die Vorkommnisse von Samstag nacht nicht einmal andeuten. Obwohl er sich dann vielleicht sicherer fühlen würde. Ich meine, zumindest haben wir die beiden beseitigt, die uns im Zug gesehen haben. Ich bin nur nicht sicher, wie lange es so ruhig und friedlich bleibt.« Tom beugte sich vor, die Ellbogen auf die Knie gestützt, und sah zu den Fenstern hinüber. Alles war still. »Reeves weiß nichts von Samstag abend, jedenfalls hat er nichts gesagt. Kann sein, daß er uns gar nicht damit in Verbindung bringt, falls er in der Zeitung davon liest. Du hast die Meldung heute gesehen?«
    »Ja.«
    »Die haben keine Spur. Im Radio haben sie heute abend nichts gebracht, aber im Fernsehen hatten sie einen kurzen Bericht. Keinerlei Spuren.« Lächelnd nahm sich Tom einen Zigarillo. Er reichte Jonathan die Schachtel, doch der schüttelte den Kopf. »Noch eine gute Nachricht: Niemand im Ort stellt irgendwelche Fragen. Heute habe ich Brot gekauft und bin zum Metzger gegangen, zu Fuß und in aller Ruhe, nur um mich mal umzuhören. Und gegen halb acht hat mir [350]  ein Nachbar, Howard Clegg, einen großen Sack Pferdemist von einem befreundeten Bauern gebracht, bei dem er ab und zu Kaninchen kauft.« Tom rauchte seinen Zigarillo und lachte gelöst: »Das war Howard, der am Samstag abend draußen kurz angehalten hat, du weißt schon. Er dachte, wir hätten Gäste, ich meine, Héloïse und ich, und es wäre vielleicht nicht der geeignete Augenblick, eine Fuhre Mist abzuladen.« Tom redete immer weiter, um die Zeit zu überbrücken, bis sich Jonathan hoffentlich ein bißchen gefangen haben würde. »Ich hab ihm erzählt, Héloïse sei für ein paar Tage verreist und ich hätte Freunde aus Paris zu Besuch, daher der Wagen mit dem Pariser Kennzeichen vor

Weitere Kostenlose Bücher