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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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sehen!«
    »Ich hab genug gesehen!« Sie nahm die Wäsche und ging nach oben.
    Mittags sagte Simone, sie habe keinen Hunger. Jonathan kochte sich ein Ei. Dann ging er ins Geschäft, ließ aber das FERMÉ -Schild hängen, weil er montags eigentlich nicht aufmachte. Seit Samstag mittag hatte sich nichts verändert. Simone war offenbar nicht im Laden gewesen war. Auf einmal fiel ihm die italienische Pistole ein, die früher in der [342]  Schublade gelegen hatte. Nun hatte Tom sie. Jonathan schnitt einen Rahmen zurecht, auch das Glas dafür, doch als er die Nägel einschlagen wollte, ließ er entmutigt den Hammer sinken: Was war mit Simone, was sollte er tun? Könnte er ihr nicht alles erzählen, so wie es gewesen war, die ganze Geschichte? Aber in diesem Fall hatte er auch ihren katholischen Glauben gegen sich, dem alles menschliche Leben heilig war. Überdies wußte er schon, was Simone zu dem Geschäft sagen würde, das man ihm damals vorgeschlagen hatte: »Absurd! Widerlich!« Seltsam, die Mafia war hundertprozentig katholisch, dennoch war ihr ein Menschenleben egal. Er aber, Simones Mann, er war anders. Er durfte keinem Menschen das Leben nehmen. Und wenn er ihr nun sagte, daß er einen ›Fehler‹ gemacht habe, daß es ihm leid tue? Völlig zwecklos. Zunächst einmal hielt er es eigentlich gar nicht für einen Fehler, warum also noch einmal lügen?
    Entschlossen ging Jonathan wieder an seinen Arbeitstisch, nagelte und klebte den Bilderrahmen zusammen und versiegelte die Rückseite sauber mit Packpapier. Das Etikett mit dem Namen des Besitzers heftete er an den Aufhänger. Dann sah er die unerledigten Aufträge durch und nahm sich ein weiteres Bild vor, das ebenfalls nur gerahmt werden mußte und kein Passepartout brauchte. Er arbeitete bis sechs, dann kaufte er zum Abendessen Brot und Wein sowie beim Fleischer ein paar Scheiben Schinken, genug für sie drei, falls Simone nichts besorgt hatte.
    Simone sagte: »Ich habe solche Angst, daß die Polizei jeden Moment an die Tür klopft und dich verhören will.«
    [343]  Jonathan deckte weiter den Tisch und antwortete nicht gleich. »Das werden sie nicht. Warum sollten sie?«
    »Keine Spuren, das gibt es nicht. Die werden auf Monsieur Ripley stoßen, und der wird ihnen von dir erzählen!«
    Bestimmt hatte sie den ganzen Tag noch nichts gegessen. Im Kühlschrank fand er einen Rest Kartoffelbrei und begann selber, das Abendessen zu bereiten. Georges kam aus seinem Zimmer nach unten.
    »Papa, was haben sie mit dir im Krankenhaus gemacht?«
    »Mein ganzes Blut ist neu.« Jonathan lächelte und breitete die Arme aus. »Denk nur, sooo viel frisches Blut – mindestens vier Liter.«
    »Wieviel ist das?« Auch Georges hatte die Arme ausgebreitet.
    »Viermal diese Flasche voll«, sagte Jonathan. »Darum hat’s auch die ganze Nacht gedauert.«
    Er gab sich alle Mühe, aber gegen Simones düsteres Schweigen kam er nicht an. Sie stocherte lustlos im Essen herum und sagte kein Wort. Georges verstand nicht, was vorging. Jonathan waren seine vergeblichen Anstrengungen peinlich; beim Kaffee konnte er nicht einmal mehr mit Georges reden und verstummte wie seine Frau.
    Hatte sie mit ihrem Bruder gesprochen? Er drängte Georges ins Wohnzimmer, wo er fernsehen konnte: Der Apparat war ganz neu, sie hatten ihn erst seit ein paar Tagen. Um diese Zeit lief auf beiden Kanälen nichts mehr für Kinder, doch der Junge würde hoffentlich trotzdem eine Weile beschäftigt sein.
    »Hast du Gérard etwas erzählt?« Er konnte nicht anders, er mußte sie fragen.
    [344]  »Natürlich nicht. Glaubst du wirklich, ich würde ihm so etwas sagen?« Sie rauchte, was sie nur selten tat, und behielt die Tür zum Flur im Auge, falls Georges hereinkommen sollte. »Jonathan, ich finde, wir sollten an eine Trennung denken.«
    Im Fernsehen sprach ein französischer Politiker über die syndicats, die Gewerkschaften.
    Jonathan setzte sich wieder. »Schatz, ich verstehe, das alles ist ein Schock für dich. Willst du nicht ein paar Tage abwarten? Ich weiß, ich kann es dir erklären. Ehrlich.« Jonathan versuchte, so überzeugend wie möglich zu klingen, und merkte doch, daß er selber nicht einmal annähernd überzeugt war. Er klammerte sich an Simone wie an das Leben.
    »Ja, natürlich denkst du das. Aber ich kenne mich. Ich bin kein naives junges Ding mehr, verstehst du?« Sie sah ihm in die Augen, kaum noch wütend, nur entschlossen und weit weg. »Dein ganzes Geld interessiert mich nicht, ich will nichts davon.

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