Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund
Ich werde mich selber durchschlagen – und zwar mit Georges!«
»O Gott ja, Georges… Herrje, Simone, laß mich für ihn sorgen!« Jonathan konnte kaum glauben, was sie beide da sagten. Er stand auf, zog sie aus dem Stuhl hoch, eher unsanft, so daß ihr Kaffee überschwappte, nahm sie in die Arme, wollte sie küssen, doch sie entzog sich ihm.
»Non!« Sie drückte die Zigarette aus und begann, den Tisch abzuräumen. »Tut mir leid, aber ich muß dir außerdem sagen, daß ich nicht mehr das Bett mit dir teilen will.«
»Na klar, das hab ich mir gedacht.« Und morgen gehst du in die Kirche und betest für meine unsterbliche Seele. [345] »Simone«, fuhr er fort, »du mußt uns ein bißchen Zeit geben. Sag jetzt nichts, was du später bereust.«
»Ich bleibe bei meiner Meinung. Frag Monsieur Ripley, der weiß das.«
Georges kam zurück, das Fernsehen war vergessen. Verstört sah er zu ihnen auf.
Auf dem Weg in den Flur strich Jonathan seinem Sohn mit den Fingerspitzen über den Kopf. Er dachte daran, nach oben zu gehen, ins Schlafzimmer – aber nun war das nicht mehr ihr gemeinsames Schlafzimmer, und außerdem, was sollte er dort? Der Fernseher lief immer noch. Jonathan tigerte im Flur auf und ab, nahm dann Regenmantel und Schal und verließ das Haus. Er ging bis zur Kreuzung, bog links in die Rue de France und betrat am Ende der Straße die Bar an der Ecke. Er wollte Tom anrufen. Die Nummer wußte er auswendig.
»Hallo?« sagte Tom.
»Hier ist Jonathan.«
»Wie geht es dir? Ich habe im Krankenhaus angerufen, die sagten, du warst über Nacht dort. Bist du jetzt wieder draußen?«
»Ja, ja. Seit heut morgen. Ich…« Er bekam keine Luft mehr.
»Was ist los?«
»Könnten wir uns treffen? Nur für ein paar Minuten, und wenn du denkst, es ist ungefährlich, könnte ich… ein Taxi nehmen. Ja, sicher.«
»Wo bist du?«
»In der Bar um die Ecke von mir. Die neue, nicht weit vom Aigle Noir.«
[346] »Ich hol dich ab, ja?« Tom vermutete einen Streit mit Simone.
»Nein, ich gehe zu Fuß. In Richtung Denkmal. Ich will ein paar Schritte laufen. Wir treffen uns dort.«
Jonathan ging es schlagartig besser. Gewiß nur vorübergehend, denn die Sache mit Simone war damit nur aufgeschoben, aber im Augenblick war ihm das egal: Er fühlte sich wie ein Gefolterter, dessen Peiniger kurz von ihm ablassen, und war dankbar für die Erleichterung. Er steckte sich eine Zigarette an und ging langsam. Tom würde eine knappe Viertelstunde brauchen. Ein paar Meter hinter dem Hôtel de l’Aigle Noir betrat er die Bar des Sports und bestellte ein Bier. Er versuchte, an gar nichts zu denken. Dann kam ihm ganz unwillkürlich der Gedanke, daß Simone es sich bestimmt noch einmal überlegen würde. Sobald er bewußt daran dachte, packte ihn die Angst, daß sie es doch nicht tun würde. Er war jetzt allein, das wußte er. Auch Georges hatte er schon halb verloren, denn Simone würde Georges sicher mitnehmen, doch das hatte er noch nicht ganz begriffen. Das würde Tage brauchen. Gefühle waren nicht so schnell wie Gedanken. Manchmal jedenfalls.
Mit einigen wenigen anderen Autos fuhr Toms dunkler Renault aus dem dunklen Wald in das Scheinwerferlicht rund um den Obelisken des Denkmals. Es war kurz nach acht; Jonathan stand an der Ecke, links von der Straße und rechts von Tom, der den Obelisken einmal umkreisen mußte, um zurück nach Hause zu gelangen. Wenn das denn ihr Ziel war. Jonathan war Toms Haus lieber als eine Bar. Tom hielt an und öffnete die Beifahrertür.
»Guten Abend!« sagte er.
[347] »Hallo«, erwiderte Jonathan. Er zog die Tür zu, und Tom gab sofort Gas. »Können wir zu dir fahren? Mir ist nicht nach vielen Leuten.«
»Na klar.«
»War kein guter Abend. Leider auch kein guter Tag.«
»Das hab ich mir schon gedacht. Simone?«
»Sie will wohl Schluß machen. Ich kann’s ihr nicht mal verdenken.« Verlegen griff er nach einer Zigarette, doch selbst das kam ihm sinnlos vor, also ließ er es.
»Ich habe getan, was ich konnte«, sagte Tom. Er konzentrierte sich darauf, so schnell wie möglich zu fahren, ohne daß eine Motorradstreife auf ihn aufmerksam wurde. Die Polizisten lauerten manchmal in den Wäldern neben der Straße.
»Ach, es geht um das Geld – und um die Leichen, Herrgott noch mal! Zu dem Geld hab ich ihr gesagt, die Deutschen hätten mir ihre Wetteinsätze anvertraut. Du weißt schon.« Auf einmal kam Jonathan alles so lächerlich vor, das mit dem Geld und auch mit der Wette. In gewisser Weise
Weitere Kostenlose Bücher