Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund
kurz bevor Tom in die Einfahrt einbog. Er sah ihm nach: ein dunkelblauer Wagen, der über das unebene Pflaster holperte – das Nummernschild endete auf 75, ein Pariser Kennzeichen. Ein Fahrer und mindestens ein Beifahrer. [256] Ob sie Belle Ombre beobachteten? Wahrscheinlich war er überängstlich.
»Hallo, Tomme ! Les Clegg könnten auf einen Drink vorbeischauen, les Grais könnten zum Essen kommen, weil Antoine heute nicht in Paris war. Wie findest du das?« Héloïse küßte ihn auf die Wange. »Wo warst du? Sieh mal, der Koffer hier! Ich weiß, allzu groß ist er nicht, aber…«
Tom betrachtete den purpurroten Koffer mit dem umlaufenden Riemen aus hellrotem Leinen. Schnallen und Schloß waren aus Messing; das Leder sah aus wie Glacé und war es womöglich auch.
»Ja, er ist wirklich schön.« Das war er wirklich, so wie ihr Cembalo oder seine commode de bateau oben.
»Und innen, schau mal.« Héloïse öffnete den Koffer. »Really str-rong«, sagte sie.
Tom beugte sich vor und küßte sie aufs Haar. » Chérie, er ist wunderschön. Wir können beides feiern, den Koffer und das Cembalo. Die Cleggs und die Grais haben das Cembalo noch gar nicht gesehen, oder? Nein…Wie geht es Noëlle?«
» Tomme, dich bedrückt doch etwas«, sagte Héloïse leise, damit Madame Annette sie nicht hörte.
»Nein. Mir ist nur nach Gesellschaft. Der Tag war sehr ruhig. Es war heute so still hier. Ah, Madame Annette! Bonsoir. Wir bekommen Gäste. Zwei, zum Abendessen. Schaffen Sie das?«
Annette schob gerade den Barwagen herein. » Mais oui, Monsieur Tomme. Es wird dann wohl à la fortune du pot, aber ich werd’s mit einem Ragout probieren. Mein Rezept aus der Normandie, Sie wissen schon…«
[257] Sie zählte die Zutaten auf, Tom hörte nicht zu. Rindfleisch, Kalbfleisch, Nierchen hatte sie im Haus, weil sie eben noch schnell beim Fleischer gewesen war. Tom mußte warten, bis sie fertig war, dann sagte er: »Ach übrigens, Madame Annette: Irgendwelche Anrufe, seit ich um sechs gefahren bin?«
»Nein, Monsieur.« Geschickt entkorkte sie eine kleine Flasche Champagner.
»Gar keine? Nicht einmal ›falsch verbunden‹?«
»Non, Monsieur Tomme.« Vorsichtig goß Madame Annette Champagner in Héloïses Sektschale.
Héloïse beobachtete ihn. Dennoch beschloß er, nicht locker zu lassen und Madame Annette weiterzubefragen. Oder doch lieber in der Küche? Ja, das war leichter.
»Ich hole mir mal ein Bier.« Er stand auf. Madame Annette hatte es Tom überlassen, sich seinen Drink selber zu machen; das war ihm oft lieber so.
In der Küche steckte Annette schon mitten in den Vorbereitungen für das Abendessen. Die Gemüse waren geputzt, gewaschen und geschnitten, und auf dem Herd köchelte etwas im Topf vor sich hin. »Madame«, begann Tom, »das ist sehr wichtig, jedenfalls heute: Sind Sie ganz sicher, daß niemand angerufen hat? Auch nicht irrtümlich – hat sich vielleicht jemand verwählt?«
Zu Toms Bestürzung erinnerte sie sich auf einmal: » Ah oui, gegen halb sieben hat das Telefon geklingelt. Ein Mann wollte mit Soundso sprechen, den Namen hab ich vergessen, Monsieur Tomme. Dann hat er aufgelegt. Verwählt, Monsieur.«
»Was haben Sie gesagt?«
[258] »Daß der, den er sprechen will, hier nicht wohnt.«
»Haben Sie meinen Namen erwähnt?«
»O nein, Monsieur Tomme. Nur, daß er sich verwählt haben muß. Ich dachte, das wäre das richtige.«
Tom strahlte sie an. Genau das Richtige. Tom hatte sich Vorwürfe gemacht, weil er um sechs Uhr losgefahren war, ohne Madame Annette einzuschärfen, unter keinen Umständen seinen Namen am Telefon zu nennen. Und sie hatte von selbst alles richtig gemacht. »Sehr gut. Das ist immer das beste«, sagte er voller Bewunderung. »Deshalb stehe ich nämlich nicht im Telefonbuch: weil ich meine Ruhe haben will, n’est-ce pas ?«
»Bien sûr«, sagte Madame Annette, als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt.
Tom kehrte ins Wohnzimmer zurück, das Bier hatte er ganz vergessen. Er schenkte sich einen Scotch ein. Wirklich beruhigt war er allerdings nicht. War nämlich der Anrufer ein Mafioso gewesen, der nach ihm suchte, könnte er nun erst recht mißtrauisch werden, da hier im Haus zwei Personen den Namen des Besitzers nicht nennen wollten. Tom fragte sich, ob sie nun in Mailand, Amsterdam oder auch Hamburg gerade genauer nachhakten: Wohnte dieser Tom Ripley nicht in Villeperce? Könnte die 424 nicht die Vorwahl von Villeperce sein? Tatsächlich. In Fontainebleau
Weitere Kostenlose Bücher