Riptide - Mörderische Flut
Wassergrube getan hat.« St. John hielt einen Augenblick inne. »Ich habe Neidelman davon erzählt, als wir gestern nachmittag miteinander sprachen.«
»Und?«
»Er fand es interessant und meinte, daß wir uns irgendwann einmal genauer damit befassen sollten. Im Moment sei es aber viel wichtiger, die Grube zu stabilisieren und das Gold herauszuholen.« Ein schwaches Lächeln huschte über St. Johns Gesicht. »Sehen Sie jetzt, daß es wenig Sinn hat, dem Kapitän die Dokumente zu zeigen, die Sie auf Ihrem Speicher gefunden haben? Er ist einfach zu sehr mit der Ausgrabung beschäftigt, um sich für irgend etwas zu interessieren, das nicht in unmittelbarem Zusammenhang damit steht.«
Inzwischen waren sie am Lagerschuppen angelangt, der seit den ersten Funden im Piratenlager von einem Provisorium zu einer festen Baracke ausgebaut worden war. Sogar die Fenster waren mittlerweile mit Gitterstäben versehen, und der Eingang wurde ständig durch einen Angestellten von Thalassa bewacht, bei dem sich jeder, der in den Schuppen wollte, in ein Buch eintragen mußte.
»Tut mir leid wegen der Umstände«, sagte St. John mit einem entschuldigenden Grinsen, als Hatch dem Wachmann Neidelrnans Genehmigungsschein zeigte. »Ich hätte Ihnen liebend gerne eine Kopie des Tagebuchs ausgedruckt, aber das ging nicht, weil Streeter vor ein paar Tagen sich die Dateien auf Disketten heruntergeladen und sämtliche Kopien auf dem Server gelöscht hat. Wenn ich mehr von Computern verstünde, hätte ich vielleicht…«
Ein Freudenschrei aus dem Inneren der Baracke unterbrach seinen Redefluß. Einen Augenblick später kam Bonterre mit einem Klemmbrett in der einen und einem merkwürdigen Objekt in der anderen Hand heraus. »Das ist ja wunderbar!« rief sie mit einem breiten Grinsen im Gesicht. »Gleich zwei meiner Lieblingsmänner auf einen Haufen.«
St. John, der irgendwie peinlich berührt schien, antwortete nichts.
»Na, wie stehen die Dinge in Piratenhausen?« fragte Hatch.
»Die Arbeiten sind fast abgeschlossen«, erwiderte Bonterre.
»Heute vormittag haben wir das letzte Planquadrat ausgegraben. Aber mit der Archäologie ist es manchmal so wie mit der Liebe: Die besten Dinge kommen ganz zum Schluß. Sehen Sie nur, was meine Leute gestern gefunden haben.«
Ihr Grinsen wurde noch breiter, als sie Hatch das Objekt in ihrer Hand direkt vor die Nase hielt.
Hatch sah, daß es eine fein gearbeitete Bronzescheibe war, an deren Rand verschnörkelte Ziffern eingraviert waren. An einer Achse in ihrer Mitte waren zwei längliche Metallstücke befestigt, die Hatch an die Zeiger einer Uhr erinnerten. »Was ist das?« wollte er wissen.
»Ein Astrolabium. Damit kann man aus dem Stand der Sonne die geographische Breite bestimmen. Zur Zeit von Red Ned war es zehnmal sein Gewicht in Gold wert, und doch hat man es einfach hiergelassen.« Bonterre fuhr mit ihren Fingern zärtlich über die Oberfläche des Instruments. »Je mehr Artefakte ich finde, desto mysteriöser erscheint mir das, was auf dieser Insel vorgefallen sein muß.«
Auf einmal hörten sie ganz in der Nähe einen lauten Schrei. »Was war das?« fragte St. John.
»Klang so, als hätte sich jemand weh getan«, meinte Hatch. Bonterre zeigte ins Basislager. »Ich glaube, das kam aus der Hütte des géologue .«
Die drei rannten hinüber zu Rankins Büro. Zu Hatchs Verwunderung wand sich der blonde Bär von einem Mann nicht in Schmerzen auf dem Boden, sondern saß auf seinem Stuhl und blickte zwischen einem Monitor und einem langen Computerausdruck hin und her.
»Was ist denn los?« rief Hatch.
Ohne die drei anzusehen brachte Rankin Hatch mit erhobener Hand zum Schweigen. Er schaute auf den Ausdruck und bewegte die Lippen, als würde er etwas zählen. »Es geht beide Male auf«, erklärte er und ließ den Ausdruck auf den Boden fallen. »Diesmal kann es kein Fehler sein.«
»Ist der Mann jetzt complètement fou ?« fragte Bonterre.
Rankin wandte sich seinen Besuchern zu. »Es stimmt«, sagte er aufgeregt. »Das muß es sein. Neidelman hat mich ständig dazu angetrieben, doch endlich Daten über das zu beschaffen, was sich unter dem Boden der Grube befindet. Als das verdammte Ding endlich leergepumpt war, dachte ich, daß sich vielleicht jetzt die seltsamen Meßergebnisse verändern würden, die ich bis dahin erhalten hatte, aber das taten sie nicht. Egal, was ich versucht habe, ich habe bei jeder Messung andere Daten bekommen. Aber jetzt ist das anders. Sehen Sie sich das hier mal
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