Riptide - Mörderische Flut
flackernde Schatten auf die Wände der Kammer. Draußen heulte der Sturm, aber drinnen in Clays kleinem Nest war nichts davon zu spüren. Sogar der Schmerz in seiner Nase hatte sich in ein dumpfes, erträgliches Pochen verwandelt.
Clay trat näher an sein Feuer heran und wärmte sich die Hände. Bald - sehr bald sogar - würde ihm Gott die besondere Aufgabe, für die er ihn auserwählt hatte, zu erkennen geben.
48
Mit zusammengekniffenen Augen schaute sich Isobel Bonterre an der sturmgepeitschten Küste um. An vielen Stellen entdeckte sie dunkle, undefinierbare Umrisse im Sand, die wie ein menschlicher Körper wirkten, doch jedesmal, wenn sie einen dieser Umrisse näher untersuchte, stellte sie fest, daß es sich dabei doch nur um längliche Felsen handelte und nicht, wie sie gehofft hatte, um den angeschwemmten Malin Hatch.
Bonterre blickte hinaus aufs Meer, wo die »Griffin«, mit zwei Ankern gesichert, knapp außerhalb des Riffs dem Sturm trotzte. Weiter draußen konnte sie gerade noch die Lichter der »Cerberus« erkennen. Eine riesige Welle hatte das Schiff, das bei der Verfolgung des Dingis auf ein Riff aufgelaufen war, wieder flottgemacht, und jetzt wurde es, durch die Havarie wohl manövrierunfähig geworden, von der Riptide hinaus aufs offene Meer getrieben. Weil es eine leichte Schlagseite hatte, vermutete Bonterre, daß eine oder sogar mehrere Spundwände leckgeschlagen waren. Vor ein paar Minuten hatte sie mitbekommen, wie ein kleines Boot von der »Cerberus« abgelegt und sich mühsam zur Insel durchgekämpft hatte. Dort hatte es die Landzunge umrundet, hinter der sich die Pier des Basislagers befand.
Ob in dem Boot Streeter oder jemand anderer gewesen war, hatte Bonterre nicht erkennen können. Eines aber war ihr klar: So hochtechnisiert das Forschungsschiff auch war, ein einzelner Mann hätte niemals die Harpune abfeuern und gleichzeitig das Ruder bedienen können. Und das bedeutete, daß der Angriff vorhin nicht das Werk eines einzelnen Verrückten gewesen sein konnte. Jemand mußte Streeter geholfen haben.
Bonterre zitterte vor Kälte und verkroch sich tiefer in ihre nasse Öljacke. Von Hatch fehlte noch immer jede Spur. Sollte er die Zerstörung des Dingis überlebt haben, dann hätte ihn die See eigentlich irgendwo in der Nähe an den Strand spülen müssen. Aber das war nicht der Fall, davon hatte sie sich inzwischen überzeugt. Und der Rest der Küste war schroff und felsig und dem Sturm fast ungeschützt ausgesetzt…
Sie schüttelte das schreckliche Gefühl der Verzweiflung ab, das sich ihrer zu bemächtigen drohte. Was auch immer geschehen sein mochte, sie mußte nun zu Ende bringen, was sie und Hatch begonnen hatten.
Also brach sie zum Basislager auf. Dazu wählte sie nicht den direkten Weg über die Insel, sondern den längeren am Strand entlang, auf dem man sie nicht so leicht entdecken konnte. Der Sturm hatte sogar noch an Heftigkeit zugenommen und wirbelte die Gischt, die er von den Wellenkämmen fetzte, weit ins Innere der Insel hinein. Das Brüllen der Brandung an den Klippen war so laut und beständig, daß Bonterre kaum die grollenden Donnerschläge wahrnahm, die immer wieder über die Insel hinwegrollten. Langsam näherte sie sich den Hütten des Basislagers. Vom Funkturm hatte der Sturm eines der Mikrowellen-Signalhörner abgerissen und wirbelte es an seinem Kabel hin und her. Einer der beiden Generatoren war ausgefallen und stand still auf seiner Stahlplattform, während der andere stark vibrierte und schrill heulend dagegen protestierte, daß man Ihm die doppelte Last aufgebürdet hatte. Bonterre schlich zwischen den ausgefallenen Generator und die Dieseltanks und spähte hinüber zu den Hütten. Die meisten von ihnen waren dunkel, nur hinter den Fenstern von Island One brannte Licht.
Vorsichtig tastete sie sich weiter vor und achtete darauf, sich dabei immer in den Schatten zwischen den Hütten zu halten. Als sie Island One erreicht hatte, lugte sie vorsichtig In eines der Fenster. In der Kommandozentrale war niemand.
Rasch huschte Bonterre auf dem aufgeweichten Pfad hinüber zu Hatchs Inselpraxis. Auch sie schien leer zu sein. Bonterre probierte es an der Tür, fluchte leise, als sie diese abgesperrt fand und schlich zur hinteren Wand der Baracke. Dort nahm sie einen Stein und schlug damit das kleine rückwärtige Fenster ein. Niemand würde bei diesem Sturm das Klirren hören. Vorsichtig streckte sie eine Hand durch die Glassplitter und öffnete das Fenster von
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