Riptide - Mörderische Flut
weshalb er nach Ragged Island gekommen war. Und dann erinnerte er sich an die Fahrt mit der »Plain Jane« und wie sie gesunken war, an das Dingi und an Streeter…
Streeter.
Hatch setzte sich auf.
Isobel war mit im Dingi gewesen.
Schwankend kam Hatch auf die Beine, fiel wieder hin und versuchte es erneut. Als das Dingi gesunken war, war er vom Bug in die brodelnde See geschleudert worden und von der Riptide um die Spitze der Insel herum an diesen Felsstrand gespült worden. Über ihm ragten die niedrigen Klippen, die vor dreihundert Jahren dem Piratenlager Schutz geboten hatten, tiefschwarz in den dunklen Himmel. Bonterre hatte es vermutlich an einen anderen Strand gespült. Falls sie überhaupt noch am Leben war.
Plötzlich spürte er, daß ihm der Gedanke an ihren Tod unerträglich war.
Taumelnd lief er ein paar Schritte und krächzte Bonterres Namen. Nach einer Weile blieb er stehen und blickte sich um. In seiner Verwirrung war er vom Strand weg in Richtung Klippen gegangen. Mühsam, machte er kehrt und stolperte zurück zum Wasser. Von Bonterre oder Trümmern des Dingis war nichts zu sehen. Seitlich von ihm drosch die See erbarmungslos auf den Kofferdamm ein, und bei jeder neuen Welle drang das Wasser mit hohem Druck durch eine ganze Reihe von Rissen in den Betonplatten.
Auf einmal sah Hatch einen Lichtstrahl den Strand entlanghuschen, der gleich darauf wieder verschwand. Vielleicht war es ja nur die Reflektion eines Blitzes auf den nassen Felsen gewesen. Hatch machte abermals kehrt und kämpfte sich den Strand hinauf zu. den Klippen.
Auf einmal war der Lichtstrahl wieder da. Diesmal wanderte er ganz in Hatchs Nähe den Strand entlang, bevor er nach oben in den Himmel schwenkte. Dann senkte er sich wieder und leuchtete abermals die Wasserlinie ab, um dann direkt an Hatch vorbei ins Inselinnere zu wandern. Instinktiv stolperte Hatch weiter auf die Klippen zu.
Und dann schien ihm auf einmal grelles Halogenlicht mitten ins Gesicht und blendete ihn. Hatch lief los, fiel hin und krabbelte auf allen vieren den Abhang vor den Klippen hinauf. Das Licht huschte neben ihm über den Boden. Dann schien es ihm wieder direkt ins Gesicht, und als er sich umdrehte, sah er, wie sein Schatten hinter ihm auf die Klippen geworfen wurde. Man hatte ihn entdeckt.
Auf einmal drang das seltsam stotternde Geräusch der Fléchette durch das Brüllen der Brandung und das Heulen des Sturms. Rechts von ihm zerfetzten Tausende von kleinen Stahlnadeln die nasse Erde. Irgendwo in der Dunkelheit mußte Streeter sein und auf ihn schießen.
Hatch warf sich nach links, und gleich darauf riß ein weiterer Hagel von Nadeln die Erde an der Stelle auf, an der er gerade noch gelegen hatte.
In panischer Angst krabbelte Hatch die Klippe hinauf und ließ sich auf der anderen Seite hinunterrollen. Dort rappelte er sich auf und fing an zu rennen, rutschte aber im nassen Gras aus und schlug der Länge nach hin. Wieder kam er auf die Beine und sah sich um. Vor ihm lag die langgestreckte Wiese, die sanft ansteigend hinüber zum Orthanc führte. Nirgends war auch nur ein Baum, hinter dem er sich hätte verstecken können, aber vor sich sah er den kleinen Schuppen, in dem Bonterre ihre Ausrüstung aufbewahrte, und daneben ein exakt in die Erde geschnittenes Rechteck: das Massengrab der Piraten.
Hatch blickte hinüber zu dem Schuppen. Vielleicht hätte er sich darin ja verstecken könne, aber es war klar, daß Streeter dort als erstes nach ihm suchen würde.
Eine weitere Sekunde zögerte Hatch, dann rannte er über die Wiese und sprang hinab in das Grab.
Es war einen Meter tief, und Hatch hatte Mühe, nach der Landung auf den Beinen zu bleiben. Ein Blitz züngelte aus dem Himmel und beleuchtete einen Augenblick lang die Grube rings um ihn her. Auch wenn Bonterre einige der Piratenskelette zur Untersuchung herausgenommen hatte, so waren die meisten doch in situ verblieben und lediglich mit ein paar Segeltuchplanen abgedeckt worden. Es war geplant, die Ausgrabung in einer Woche wieder mit Erde aufzufüllen.
Ein gewaltiger Donnerschlag trieb Hatch zur Eile an. Er hob eine der Planen und krabbelte rasch darunter. Dabei stieß er auf etwas Hartes. Es war ein Stück einer zertrümmerten Hirnschale. Hatch warf es beiseite, legte sich auf den Rücken und wartete bewegungslos auf Streeter.
Unter der Plane war die Erde fast trocken. Geschützt vor Wind und Regen, spürte Hatch, wie die Wärme in seine durchfrorenen Glieder zurückkehrte.
Auf einmal hörte
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