Riptide - Mörderische Flut
morgen sogar wieder beim Tauchen, während Sie vermutlich noch laut geschnarcht haben. Und Sie werden mir nicht glauben, was ich dabei entdeckt habe!«
Hatch sah hinüber zu Neidelman, der ihm zunickte und zufrieden dreinblickend an seiner Pfeife zog.
»Erinnern Sie sich noch an die Fundamente, die ich neulich auf dem Meeresgrund gesehen habe?« fuhr Bonterre fort. »Sie führen an der Innenseite der Riffe entlang und um die ganze Südspitze der Insel herum. Heute morgen bin ich die Überreste davon abgeschwommen, und denke, daß es für sie eigentlich nur eine Erklärung gibt: Die Fundamente gehörten zu einem alten Kofferdamm.«
»Tatsächlich? Aber warum sollte man um die Südspitze der Insel herum einen Kofferdamm bauen?« Bereits als Hatch die Frage stellte, fiel ihm die Antwort darauf ein. »Gott im Himmel!« hauchte er.
Bonterre grinste. »Die Piraten haben ihren Damm halbkreisförmig am Südriff entlang gezogen. Zuerst haben sie hölzerne Pfähle wie eine Art Palisade ins flache Wasser gerammt, die in einem Bogen vom Strand weg und dann wieder zurückführte. Ich fand Reste von Pech und Werg, mit dem sie wohl die Lücken zwischen den einzelnen Pfählen abgedichtet haben. Als der Damm fertig war, haben sie das Wasser dahinter herausgepumpt, bis der Meeresboden trocken lag, und dann haben sie die fünf Flutstollen gegraben. Als das soweit war, brauchten sie bloß den Kofferdamm wieder einzureißen und das Wasser zurückfließen zu lassen. Et voilà , schon war sie fertig, die Falle für künftige Schatzsucher.«
»Eigentlich lag es ja auf der Hand«, fügte Neidelman hinzu, »wenn man richtig darüber nachgedacht hätte. Wie sonst hätten die Piraten ohne Taucherausrüstung die Unterwassertunnels bauen sollen? Außerdem war Macallan nicht nur Architekt, sondern auch Ingenieur. Als solcher hat er auch an der Konstruktion der Old Battersee Bridge mitgewirkt, weshalb er sich bei Bauten im seichten Wasser recht gut ausgekannt haben dürfte. Bestimmt war er es, der sich das alles bis ins kleinste Detail hat einfallen lassen.«
»Aber einen Kofferdamm um die ganze Inselspitze herum zu bauen Ist doch ein enorm aufwendiges Unterfangen.«
»Allerdings, aber bedenken Sie, daß Macallan über tausend motivierte Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Außerdem konnten die Piraten leistungsfähige Kettenpumpen aus den Bilgen Ihrer Schiffe zum Einsatz bringen.« Die Schiffssirene ließ sich ein weiteres Mal vernehmen, und Neidelman sah auf die Uhr. »In fünfzehn Minuten fangen wir an, die Zugänge zu den Flutstollen zu sprengen. Der Nebel scheint sich aufzulösen, also werden wir gute Sicht haben. Kommen Sie doch mit hinein in den Turm.«
Der Kapitän hielt Hatch und Bonterre die Tür auf. Im Inneren von Orthanc sah Hatch eine Reihe von elektronischen Schalttafeln mit waagerecht darin eingelassenen Monitoren. Magnusen und Rankin standen an sich gegenüberliegenden Arbeitsstationen, während ein paar Techniker, die Hatch nicht kannte, Teile der Anlage testeten und sich dazu Notizen machten. Auf weiteren Monitoren waren die Bilder von verschiedenen, auf der Insel aufgestellten Videokameras zu sehen, darunter auch die Kommandozentrale, der Eingang zur Wassergrube und das Innere des Orthanc selbst.
Das ungewöhnlichste Merkmal des Beobachtungsturmes war zweifellos die dicke Glasplatte, die In der Mitte seines Bodens eingelassen war. Hatch trat an sie heran und blickte hinunter In den Abgrand der Wassergrube.
»Jetzt passen Sie mal auf«, sagte Neidelman und betätigte einen Schalter auf einer In der Nähe liegenden Konsole.
Eine starke Quecksilberbogenlampe sprang an und tauchte den Schacht plötzlich In gleißendes Licht. Hatch sah, daß die Grube unter Ihm mit Meerwasser gefüllt war, auf dem Fetzen von Seetang trieben. Kleine Shrimps schwammen, vom Lichtschein angelockt, knapp unterhalb der Oberfläche herum. Etwa einen Meter tief in dem trüben Wasser konnte Hatch die mit Muscheln überkrusteten Enden alter Stützbalken erkennen, die sich dann in der Tiefe verloren. Neben dem dicken, mit Metallkupplungen versehenen Pumpenschlauch führte noch ein halbes Dutzend dünnerer Schläuche und Kabel hinunter in die Grube.
»Der Rachen des Ungeheuers«, sagte Neidelman mit grimmiger Zufriedenheit. Dann deutete er auf die Konsolen unter den Fenstern. »Wir haben den Orthanc mit den modernsten Meßapparaturen ausgestattet, die es gibt, darunter auch Bodenradar im L- und X-Band-Bereich, das mit einer synthetischen Blende
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