Riskante Geschäfte
ich war total durchgedreht.« Sie streckte den verletzten Arm aus, und Bond schnitt ihr mit ihrem Jagdmesser den Ärmel von der Schulter. Es war ein glatter
Durchschuß. Bond wusch die Wunde mit dem Kaffeewhisky aus und band mit seinem zerschnittenen Taschentuch eine dicke Brotscheibe aus seiner Provianttasche darüber. Aus dem Hemdärmel machte er eine Schlinge und knüpfte sie ihr um den Nacken. Dabei war ihr Mund dem seinen ganz nahe. Er küßte ihn: erst sanft und dann noch einmal, hart. Dabei blickte er ihr in die Augen. Sie sahen erstaunt und glücklich aus. Er küßte sie auf beide Mundwinkel, und der Mund begann zu lächeln. Er trat zurück und lächelte gleichfalls. Dann nahm er ihre rechte Hand und schob sie behutsam in die Schlinge. Das Mädchen fragte fügsam: »Wohin führst du mich jetzt?«
»Ich nehm dich mit nach London. Dort will dich ein alter Herr kennenlernen. Aber zuerst müssen wir noch nach Kanada hinüber, dort laß ich von einem Freund deinen Paß in Ordnung bringen. Du wirst dir auch Kleider und alles andere besorgen müssen, das wird ein paar Tage dauern, und wir werden in einem Motel wohnen.«
Sie sah ihn an - ein anderer Mensch. »Das wird hübsch sein«, sagte sie leise. »Ich hab noch nie in so etwas gewohnt.« Bond bückte sich, nahm Gewehr und Proviantbeutel auf und hängte sich beides über die Schulter. Bogen und Köcher hängte er über die andere. Dann wandte er sich um und schritt über die Wiese.
Während sie ihm folgte, zog sie sich die welken Grasbüschel aus dem Haar, löste das Band und ließ die helle Haarflut über die Schultern fallen.
Riskante Geschäfte
Der stumme Zeuge
Riskante Geschäfte
»Viel Risiko in diesem Geschäft!«
Leise kamen die Worte unter dem buschigen, braunen Schnurrbart hervor. Ein stechender Blick aus schwarzen Augen glitt über Bonds Gesicht zu dessen Händen hinunter, welche eben ein Streichholz aus dem Briefchen rissen, das den Aufdruck »Albergo Colomba d'Oro« trug.
James Bond fühlte das Prüfende dieses Blicks. Das ging schon so, seitdem er vor zwei Stunden den Mann zur Besprechung in der Exzelsiorbar getroffen hatte. Bond sollte dort nach einem Mann mit dickem Schnurrbart Ausschau halten, der allein vor einem Alexandra sitzen würde. Dieses Erkennungszeichen war weit mehr nach Bonds Geschmack gewesen als eine gefaltete Zeitung, eine Blume im Knopfloch, ein Paar gelber Handschuhe oder dergleichen abgebrauchtes Zeug aus dem verstaubten Agentenrepertoire. Vor allem auch deshalb, weil es nicht so ohne weiteres in direkte Verbindung mit dem Betreffenden gebracht werden konnte. Und Kristatos -das war sein Name - hatte das gleich zu einem kleinen Test benützt: als Bond die Bar betreten und sich umgesehen hatte, waren etwa zwanzig Gäste anwesend, aber keiner von ihnen mit Schnurrbart. Aber am anderen Ende des Raumes hatte auf einem Ecktisch neben einer Schale Oliven ein hochstieliges Glas Creme und Wodka gestanden. Bond war direkt auf den betreffenden Tisch zugegangen und hatte daran Platz genommen.
Der Kellner kam. »Guten Abend, Sir. Signor Kristatos telefoniert nur eben.«
Bond nickte. »Einen Negroni. Mit Gordon's, bitte.« Der Kellner ging zur Bar. »Negroni. Uno. Gordon's.«
»Bitte vielmals um Entschuldigung!« Die große, haarige Hand ergriff den kleinen Stuhl, als wäre er gewichtslos, und schob ihn unter den massigen Körper. »Aber ich hatte noch mit Alfredo zu sprechen.«
Kein Händeschütteln. Sie waren alte Bekannte, möglicherweise sogar aus der gleichen Branche. Import-Export oder so ähnlich. Der jüngere sah aus wie ein Amerikaner, oder nein, wie ein Engländer, bei diesem Anzug! Bond war schlagfertig: »Wie geht's seinem kleinen Jungen?«
Signor Kristatos' schwarze Augen verengten sich: »Ach, immer dasselbe! Was kann man da schon erwarten?« Er breitete die Hände. Also doch! dachte er. Der Mann war tatsächlich vom Fach.
»Schrecklich, diese Polio!«
Der Negroni wurde gebracht. Die beiden Männer lehnten sich bequem zurück, jeder zufrieden, mit einem Mann der gleichen Branche zu tun zu haben. Das war selten. Gemeinsame Aufgaben trugen oft schon zu Beginn den Keim der Hoffnungslosigkeit in sich, und Zusammenkünfte wie diese rochen - zumindest nach Bonds Meinung - zumeist recht brenzlig, so, als wäre sein Deckmantel schon im Begriff, irgendwo anzubrennen. Und pünktlich begann er dann jeweils auch zu brennen, womit das Spiel zu Ende war und nur noch übrigblieb, zu verschwinden oder sich von irgend jemandem
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