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Riskante Geschäfte

Titel: Riskante Geschäfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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Tannenzapfen bezeichnete.
    Nachdem der Kellner fort war, kaute Kristatos schweigend an einem Zahnstocher. Seine Miene wurde zusehends verdrossener. Unruhig überflog sein stechender Blick das Lokal. Offensichtlich überlegte er, ob er jemanden preisgeben solle oder nicht. Ermunternd sagte Bond: »Unter Umständen könnte es auch mehr sein.«
    Kristatos schien sich schlüssig zu werden. »So?« sagte er, schob seinen Stuhl zurück und stand auf. »Sie entschuldigen mich. Ich muß nur rasch zur Toilette.«
    Bond verspürte plötzlich Hunger und Durst. Er goß sich ein großes Glas Chianti ein, trank es halb aus, brach ein Brötchen entzwei und begann zu essen, wobei er jeden Bissen dick mit gelber Butter bestrich. Dabei fragte er sich, weshalb Weißbrot mit Butter nur in Frankreich so wunderbar schmecke. An anderes dachte er nicht. Er brauchte jetzt ja nur zu warten, und zu Kristatos hatte er Vertrauen gefaßt. Das war ein solider Kerl, dem auch die Amerikaner trauten. Wahrscheinlich führte er jetzt ein entscheidendes Telefongespräch. Voll guten Muts beobachtete Bond durchs Fenster die Vorübergehenden. Soeben radelte ein Parteiblattkolporteur vorbei. Vom Korb über der Lenkstange flatterte eine weiße Fahne mit roten Lettern: PROGRESSO - SI! - AVVENTURI? - NO! Bond mußte lächeln. Eine gute Devise - auch für seinen Auftrag!
    Am anderen Ende des einfachen Raumes, an dem Tisch neben der Kasse, sagte die mollige Blondine mit dem ausdrucksvollen Mund zu dem jovialen Herrn, dem die Spaghetti aus dem Mund hingen: »Sein Lächeln hat was Grausames, aber er sieht gut aus. Das tun Spione meistens nicht. Bist du wirklich sicher, daß er einer ist?«
    Der Mann ließ die durchbissenen Spaghetti auf den Teller zurückfallen, wischte sich den Mund an der tomatenfleckigen Serviette, rülpste vernehmlich und sagte: »Santos irrt sich da nie, er hat eine Nase für Spione. Deshalb laß ich Kristatos ständig durch ihn beschatten. Und wer sonst als ein Spion würde sich einen Abend lang mit diesem Schwein zusammensetzen? Aber wir können uns ja überzeugen!« Der Mann zog einen dieser billigen, blechernen Schnappfrösche hervor und ließ ihn klicken. Der Ober am Ende des Raumes fuhr herum: »Si, Padrone?« Der Mann winkte ihn heran und flüsterte ihm einen Auftrag ins Ohr. Der Ober nickte kurz und verschwand hinter der Tür neben der Küche, die die Aufschrift UFFICIO trug. Zug um Zug kam nun ein bis ins kleinste durchgeprobtes Verfahren in Gang, dessen Details der spaghettikauende Mann neben der Kasse so kritisch beobachtete, als wäre das Ganze eine Schachpartie.
    Der Ober kam aus dem ufficio, eilte durch das Lokal und rief dem zweiten Kellner zu: »Einen Extratisch für vier Personen, rasch!« Der Kellner nickte. Er folgte dem Ober zu einem freien Platz neben Bonds Tisch, schnalzte mit den Fingern nach Beistand, nahm von zweien der Nachbartische je einen Stuhl und wählte als dritten mit einer stummen Verbeugung den freien Stuhl an Bonds Tisch. Den vierten Stuhl brachte der Ober selbst aus der Richtung des ufficio herbei. Ein Tisch wurde in die Mitte gestellt und mit vier Gedecken versehen. Plötzlich runzelte der Ober die Stirn: »Aber das ist ja ein Vierertisch! Ich habe doch drei gesagt - für drei Herren!« Er packte den Stuhl, den er selbst gebracht hatte und stellte ihn an Bonds Tisch. Dann entließ er die Helfer mit einem Wink, und alle begaben sich wieder an ihre Arbeit.
    Das alles hatte kaum eine Minute gedauert. Gleich darauf betraten drei harmlos aussehende Italiener das Restaurant. Der Ober begrüßte sie persönlich und führte sie an den vorbereiteten Tisch, womit die erste Phase des Vorgangs beendet war. Bond hatte kaum darauf geachtet. Soeben trat Kristatos wieder an seinen Tisch, die Speisen wurden aufgetragen, und beide begannen sich auf das Essen zu konzentrieren.
    Während des Essens sprachen sie über Nichtigkeiten - über die italienischen Wahlaussichten, über den neuen Alfa Romeo, über italienische Schuhe im Vergleich zu den englischen. Kristatos war ein gewandter Plauderer, der sich in allem und jedem auszukennen schien, doch klangen seine Auskünfte unaufdringlich und seriös. Er sprach ein Englisch, das gelegentlich mit fremdsprachigen Brocken untermischt war, was sehr lebendig wirkte und Bond Spaß bereitete. Dieser Kristatos war wirklich mit allen Wassern gewaschen - ein nützlicher Kerl! Bond wunderte sich nicht mehr, daß der amerikanische Geheimdienst mit ihm zusammenarbeitete.
    Der Kaffee kam.

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