Riskante Liebe
seinem ausdrucksvollen, geradezu schönen Gesicht nicht sattsehen und verspürte das beinahe unwiderstehliche Bedürfnis, ihn zu berühren, von ihm berührt und wieder geküsst zu werden. Aber er saß, wie mir vorkam, ganz bewusst einige Schritte von mir entfernt und tat nichts, um den Abstand zwischen uns zu verkleinern. Instinktiv wusste ich, dass dieser Mann meine einzige Chance war, wenn ich je in meinem Leben erfahren wollte, was Liebe, die er mir so anschaulich geschildert hatte, zwischen Frau und Mann bedeutete. Ich konnte nun Gordeas Gefühle für den toten Relianten vollkommen nachvollziehen. Sie hatte, genau wie er, sogar den Tod in Kauf genommen, um einmal in ihrem Leben lieben zu dürfen.
Er hatte gesagt, dass er gerne mit mir schlafen wollte, es aber unterließ, damit ich kein Kind bekam und in Gefahr geriet. Eine Erinnerung daran, wie ich mit Jolaria Kräuter gesucht hatte, durchzuckte mein Hirn: Jolaria gab den Frauen, die Kinder austragen wollten, v or der Befruchtung einen Tee, der aus den Blüten einer kleinen weißblättrigen Pflanze mit fleischigen, dunkelgrünen Stängeln gekocht wurde. Dieser Tee sorgte Jolarias Worten zufolge dafür, dass die Empfängnisbereitschaft erhöht wurde. Wir hatten an diesem Tag einige Exemplare dieser schwer zu findenden Pflanze ausgegraben. Jolaria hatte mir kurz darauf auf dem Heimweg eine sumpfige Stelle im Wald gezeigt. Zwischen Rohrkolben und Schilf leuchtete ein kleiner Fleck weißer Blüten.
»Veeria, sieh genau hin. Diese Blumen sehen denen, die wir für die künftigen Säugerinnen geholt haben, sehr ähnlich, haben aber die gegenteilige Wirkung. Man kann sie an ihren Stängeln unterscheiden. Diese hier sind dünner und haben eine ins rötlich gehende Farbe. Pass auf, dass du sie nie verwechselt. Frauen, die zwischen ihren Blutungen hiervon zubereiteten Tee trinken, können kein Kind empfangen.«
Hoffnung durchströmte mich. Wenn es mir am folgenden Tag gelang, eine Stelle zu finden, wo diese Pflanze wuchs, dann durfte ich ihm gefahrlos näherkommen – auch wenn ich keine genaue Vorstellung davon hatte, was dann passieren würde – und er hätte ebenfalls keinen Grund, sich von mir fernzuhalten. Ich verspürte auch keinerlei schlechtes Gewissen. Die Frau, die auf ihn wartete, würde ihn nach seiner Rückkehr noch lange genug haben. Und sie würde vermutlich nie von mir erfahren. Er riss mich aus meinen Grübeleien.
» ... Veeria, hörst du mir zu?«
Verwirrt und beschämt sah ich ihn an. Ich hatte nicht zugehört, da ich in Gedanken bei ihm gelegen hatte …
»Ich hab e gesagt, dass ich müde bin und gerne schlafen gehen würde. Bleibst du noch wach?«
Meine ehrliche Antwort hätte gelautet, dass ich gerne mit ihm zusammen schlafen gehen würde. Aber ich fürchtete mich vor einer neuerlichen Ablehnung. Stattdessen stand ich langsam auf und erklärte, ebenfalls müde zu sein. Dann fiel mir etwas ein, wobei ich ihm unbedingt zusehen wollte.
»Ich dachte, du wolltest dir den Bart abschneiden?«
Er erklärte, dies erst am nächsten Tag am Fluss erledigen zu wollen.
»Ich muss mein Gesicht sehen, wenn ich die Stoppeln abschneide, sonst gibt es ein Blutbad und du kennst mich nicht wieder!«
Kurz darauf gingen wir schlafen. Ich kuschelte mich in meine Schlafmulde, bedauerte einerseits, nicht näher bei ihm zu liegen, andererseits war ich überglücklich, diese Nacht gemeinsam mit ihm in der Höhle verbringen zu dürfen. Und ihm aufdrängen wollte ich mich ebenfalls nicht. Nur ganz kurz übermannte mich ein Anflug von schlechtem Gewissen, da Jolaria vermutlich erneut die ganze Nacht lang mit der kranken Seratta und vielleicht noch anderen, denen es nicht gut ging, beschäftigt war. Ich tröstete mich damit, dass ich ihr noch oft genug helfen würde. Heute und an den kommenden beiden Tagen jedoch wollte ich nur an Drake und mich denken.
Am darauffolgenden Morgen erwachte ich sehr früh und konnte vor Aufregung darüber, den ganzen Tag mit ihm zusammen verbringen zu dürfen, nicht mehr einschlafen. Ich grübelte hin und her, ob ich ihm von der verhütenden Wirkung der Pflanze erzählen sollte, die ich heute suchen würde. Oder war das zu offensichtlich? Wäre er davon abgestoßen, wenn ich mich ihm sozusagen aufdrängen würde? Ich seufzte unhörbar. Wenn ich doch nur gewusst hätte, auf welche Art und Weise die Frauen in Drakes Heimat einem Mann zu verstehen geben konnten, dass sie mit ihm schlafen wollten? Sagten sie es ihm? Mussten sie darauf warten,
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