Riskante Nächte
nächste Schritt ist natürlich, mit ihm zu sprechen«, verkündete Louisa. »Aber wir müssen diskret vorgehen. Wir wollen schließlich nicht unsere Absichten preisgeben.«
»Ich verstehe, Mrs. Bryce«, erwiderte er höflich. »Ich werde mir alle Mühe geben, diskret zu sein. Ich bin sicher, es wird mir gelingen, solange ich Ihrem erhabenen Beispiel folge. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich es zu schätzen weiß, dass Sie mich so großzügig an der Fülle Ihrer Erfahrungen im Einholen von Auskünften teilhaben lassen. Ich kann mich wirklich glücklich preisen, dass ich Ihnen begegnet bin. Wer weiß, welche fatalen Fehler ich möglicherweise begangen hätte, wenn Sie nicht dahergekommen wären und mich in die hohe Kunst des diskreten Ermittelns eingeweiht hätten.«
Sie zog die Nase kraus. »Verzeihen Sie mir. Ich hätte mir nicht anmaßen sollen, Ihnen Ratschläge zu erteilen. Ich fürchte, ich bin es nicht gewohnt, mit jemandem zusammenzuarbeiten.«
»Wie es scheint, müssen wir beide lernen, uns an die neue Situation anzupassen.«
»Das mag wohl stimmen.«
Er streckte die Beine aus und verschränkte die Arme. »Sie nehmen Ihren Beruf sehr ernst, nicht wahr? Es ist für Sie nicht nur ein Spiel.«
»Hatten Sie das angenommen?«
»Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, warum eine Frau, die in offensichtlich angenehmen Verhältnissen lebt, eine Karriere als Journalistin aufnehmen sollte.«
»Ich finde die Arbeit sehr befriedigend.«
»Ja, das spüre ich. Haben Sie noch andere Informanten außer Miranda Fawcett?«
»Oh ja«, sagte sie. »Miranda ist natürlich ausgesprochen hilfreich, und wie Sie bereits erfahren haben, genieße ich außerdem den Vorteil, mich Mrs. Ashtons gesellschaftlicher Stellung und ihres Wissens über die gehobenen Kreise bedienen zu können.« Sie verstummte kurz. »Doch von Zeit zu Zeit vertraue ich auf eine weitere Quelle.«
»Und wer ist diese Quelle?«
»Roberta Woods. Sie hat sich der Aufgabe verschrieben, Frauen zu helfen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, gezwungen sehen, ihren Lebensunterhalt als Dirne zu verdienen. Sie leitet eine kleine Einrichtung in der Swanton Lane, wo sie mittellosen Frauen eine warme Mahlzeit gibt. Außerdem verweist sie jene, die Hilfe suchen, an eine andere Einrichtung, die sie die Agentur nennt.«
»Und was tut diese Agentur?«
»Dort erhalten die Frauen Unterweisung auf einem neuen Gerät, das sich Schreibmaschine nennt. Haben Sie schon von diesen Schreibmaschinen gehört?«
Er schmunzelte. »Mein Vater hat eine erfunden. Er arbeitet noch an einigen Verbesserungen. Er ist überzeugt, dass diese Schreibmaschinen die Industrie und den Handel revolutionieren werden.«
»Er hat recht.« Louisa glühte plötzlich vor Begeisterung. »Es ist ein erstaunliches Gerät. Die Betreiber der Agentur sagen, dass es bald in jedem Unternehmen landauf, landab eine Schreibmaschine geben wird. Natürlich bedeutet dies einen wachsenden Bedarf an Menschen, die mit diesen Geräten umgehen können.«
»Verstehe. Die Agentur vermittelt Typistinnen an Unternehmen.«
»Ja. Da diese Fertigkeit noch selten ist, sind viele Firmen sehr willig, geschulte Frauen für derartige Arbeiten einzustellen. Laut der Agentur eröffnen diese Schreibmaschinen völlig neue Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen, die eine ehrbare Arbeit suchen. Es ist alles sehr aufregend.«
»Es ist mir bewusst, dass die beruflichen Möglichkeiten für Frauen sehr eingeschränkt sind.«
»Nur wenige sind je völlig davor gefeit, in der Gosse zu enden. Selbst Frauen aus den obersten Schichten der Gesellschaft kommen in die Swanton Lane. Sehr oft sind es Witwen, die nach dem Tod ihrer Männer mittellos oder verschuldet dastehen. Sie sind gezwungen, sich zu prostituieren, um Essen kaufen und die Miete für eine bescheidene Unterkunft zahlen zu können.«
»Es ist offensichtlich, dass Ihnen Roberta Woods’ Einrichtung sehr am Herzen liegt. Wie haben Sie davon erfahren?«
»Seit Mrs. Ashton mich bei sich aufnahm, betreue ich für sie die wohltätigen Organisationen, für die sie sich engagiert. Sie spendet Miss Woods’ Einrichtung schon seit Jahren Geld. Miss Woods und ich kennen einander inzwischen recht gut. Wir haben ein gemeinsames Interesse, wenn es darum geht, hochgestellte Gentlemen zu entlarven, die andere ausbeuten.«
Er musterte sie eingehend. »Was für Dinge erfahren Sie dort?«
Sie lächelte freudlos. »Sie wären überrascht, wie viel die Frauen des
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