Riskante Nächte
Spielschulden. Aber I. M. Phantom schreibt, es gehe das Gerücht, dass es möglicherweise Mord war. Da fragt man sich doch, wie viele andere Morde unaufgeklärt bleiben, nur weil es so aussieht, als hätte das Opfer Selbstmord begangen.«
»Ja, in der Tat.«
Sie bezahlte für das Buch und verließ das Geschäft. Der Nebel war inzwischen so dicht, dass sie Mühe hatte, die Bäume in der weitläufigen Parkanlage auszumachen. Louisa fragte sich mit Unbehagen, ob die Gefahr bestand, in der grauen Suppe die Orientierung zu verlieren. Doch warum machte sie sich unnötige Sorgen? Sie musste nur auf dem Kiesweg bleiben, und ihr konnte nichts geschehen.
Sie überquerte die Straße und tauchte in das Nebelmeer ein.
Sie schätzte, dass sie etwa ein Drittel des Wegs durch den Park zurückgelegt hatte, als sie hinter sich das leise Scharren eines Schuhs auf Kies hörte. Ihre Hände fühlten sich schlagartig eiskalt an, obwohl sie Handschuhe trug. Ein Kribbeln durchlief sie, und die feinen Haare in ihrem Nacken stellten sich auf.
Sie blieb stehen, drehte sich blitzschnell um und spähte suchend in den grauen Dunst. Es war nichts zu sehen außer den schemenhaften Umrissen einiger umstehender Bäume. Louisa lauschte einen Moment angestrengt, doch es waren keine weiteren Schritte zu hören.
Sie eilte weiter, beinahe im Laufschritt. Sie war am Rande der Panik, was völlig lächerlich war. Was war bloß mit ihr los? Es ging jemand hinter ihr den Weg entlang. Na und? Es war ein öffentlicher Park.
Sie fragte sich, ob diese Ängstlichkeit ein Anzeichen dafür war, dass ihr die Nerven durchgingen. Sie musste sich dringend zusammenreißen.
Hinter ihr waren abermals Schritte zu hören. Der kleinen Ermahnung zur Selbstbeherrschung zum Trotz wuchs ihre Angst augenblicklich. All ihre Instinkte drängten sie, wegzulaufen, doch wenn ihr Verfolger ein Mann war und wenn er entschied, hinter ihr herzukommen, wäre Wegrennen vergebens. In einem Kleid, selbst in einem, das nach den modernsten Vorstellungen der Reformbewegung geschneidert war, konnte sie einem Mann in Hosen niemals davonlaufen.
Ihr kam in den Sinn, dass, wer immer hinter ihr ging, sie nicht besser sehen konnte als sie ihn. Dieser Gedanke dämpfte die wachsende Panik. Das Klügste wäre, den Weg zu verlassen, sich zwischen den Bäumen zu verstecken und die andere Person vorbeigehen zu lassen. Wenn es ein harmloser Passant war, umso besser. Wenn der Betreffende hinter ihr Übles im Schilde führte, würde er wahrscheinlich annehmen, dass sie noch immer vor ihm sei, und weitergehen. Sie wäre in jedem Fall in Sicherheit.
Sie verließ den Weg und bewegte sich auf die dunklen Schemen zu, die eine kleine Baumgruppe auswiesen. Ihre Schritte waren auf dem feuchten Gras fast lautlos. Als sie den Schutz der Bäume erreichte, drehte sie sich um und schaute zurück zum Weg. Der gespenstische Umriss einer Gestalt in einem dunklen Mantel und mit aufgesetzter Kapuze tauchte im Nebel auf.
Die Frau blieb stehen, als würde sie lauschen. Nach schier einer Ewigkeit machte sie auf dem Absatz kehrt und eilte in die Richtung davon, aus der sie gekommen war. Sie wurde beinahe augenblicklich von dem Nebelmeer verschluckt.
Louisa stand einen Moment reglos da. Es konnte doch sicher nicht dieselbe Frau gewesen sein, die sie gestern Nacht im Arden Square gesehen hatte. Ein schwarzer Mantel glich schließlich mehr oder weniger dem anderen. Trotzdem wurde sie den Gedanken nicht los, dass es die Dirne in der Witwenkleidung gewesen war, die ihr gefolgt war.
Als ihr Herz fast wieder normal schlug, verließ Louisa den Schutz der Bäume, kehrte auf den Weg zurück und ging Richtung Arden Square weiter.
Sie war nur einige Schritte weit gekommen, als sich eine weitere Gestalt aus dem Nebel löste. Diesmal war es ein Mann in einem dunkelgrauen Gehrock.
»Lady Ashton meinte, dass Sie sehr wahrscheinlich durch den Park zurückkämen«, sagte Anthony und kam auf sie zu. »Und da dachte ich mir, ich gehe Ihnen entgegen.«
Erleichterung erfasste sie, gefolgt von einer Woge schwindelerregender Euphorie. Er wirkte beruhigend stark und unerschütterlich, ihr eleganter Wolf. Sie hätte sich am liebsten in seine Arme geworfen.
»Gütiger Himmel, Sir, Sie haben mir einen Schrecken eingejagt«, sagte sie und zügelte ihre überschwänglichen Gefühle.
Er blieb vor ihr stehen und sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Verzeihen Sie mir. Sie sehen ein wenig aufgewühlt aus. Ist etwas passiert?«
»Nein.« Sie
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