Riskante Nächte
Hastings benutzt hatte, um von reichen, ältlichen Ladys Geld zu erpressen«, antwortete Anthony.
»Erpressung.« Wieder zog Corvus die Augenbrauen hoch. »Ich hatte keine Ahnung, dass Hastings sich in diesem besonderen Geschäftszweig betätigt.« Er überlegte kurz. »Dürfte ich wohl fragen, was mit den betreffenden Gegenständen geschehen ist?«
»Sie wurden anonym ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgegeben.«
Corvus’ Mund verzog sich zu einem flüchtigen Schmunzeln. »Ja, selbstverständlich.«
Anthony rollte seinen Brandyschwenker zwischen den Handflächen. »Wissen Sie, warum Hastings zweier Leibwächter bedarf? Soweit mir bekannt ist, geht er dieser Tage nirgendwo ohne sie hin. Irgendetwas macht ihn eindeutig sehr nervös.«
»Mir hat er erzählt, dass sein Geschäftsverwalter, Phillip Grantley, unter verdächtigen Umständen gestorben sei«, sagte Corvus. »Obgleich in den Zeitungen stand, er hätte Selbstmord begangen.«
Louisa sah ihn an. »Aber Hastings glaubt nicht daran?«
Corvus überlegte einen Moment. »Ich hatte den Eindruck, er wünschte, dass es tatsächlich Selbstmord wäre, wie die gerichtliche Untersuchung festgestellt hatte. Doch aus irgendeinem Grund hat er Zweifel. Als er jüngst erfuhr, dass Thurlow sich ebenfalls das Leben genommen hatte, war er laut Quinby und Royce außer sich. Ich finde das sehr interessant.«
»Weil sowohl Grantley als auch Thurlow für Hastings gearbeitet haben, nahmen wir zuerst an, er hätte beide umgebracht«, sagte Anthony. »Doch inzwischen spricht vieles dagegen.«
Corvus nickte zustimmend. »Das sehe ich genauso. Ich kann Ihnen versichern, dass Hastings von den beiden Todesfällen ehrlich bestürzt war. Er ist felsenfest überzeugt, auch er selbst schwebe in Gefahr. Deshalb bat er um die Leibwächter.«
»Wenn man es genau betrachtet, dann hat Hastings allen Grund zur Angst«, sagte Louisa. »Schließlich war er ein Erpresser. Vielleicht befürchtet er, eines seiner Opfer hätte Grantley und Thurlow aufgespürt und würde als Nächstes ihm nach dem Leben trachten.«
Corvus nickte. »Das ist eine einleuchtende Annahme, Mrs. Bryce. Es würde mich nicht im Geringsten überraschen, wenn er genau das dächte.«
»Es würde jedenfalls Hastings’ Angst erklären«, pflichtete Anthony ihnen bei. »Aber ich glaube nicht, dass der Mörder unter den Erpressungsopfern zu finden ist. Hastings hat sie sehr klug ausgewählt. Es sind allesamt alte Ladys, die versuchten, junge, hilflose Familienmitglieder zu beschützen.«
Miranda bedachte ihn mit einem schelmischen Blick. »Unterschätzen Sie niemals, wozu eine Frau fähig ist, Sir.«
»Glauben Sie mir, nichts läge mir ferner«, versicherte Anthony inbrünstig. »Aber es scheint mir höchst unwahrscheinlich, dass die betreffenden Ladys über die nötigen Mittel und Wege verfügten, Grantley und Thurlow aufzuspüren. Es ist nur schwer vorstellbar, dass eine von ihnen sich einen Revolver beschafft und damit das Schießen gelernt hat und dann in die Wohnungen der beiden Männer geschlichen ist und sie umgebracht hat.«
Louisa sah ihn an. »Mir kommt da gerade ein Gedanke. Vielleicht beauftragte eine der alten Ladys jemanden damit, Grantley und Thurlow zu ermorden.«
Corvus schien amüsiert. »Einen Mörder zu engagieren, um zwei nach außen hin achtbare Männer umzubringen, ist schwieriger als Sie denken, Mrs. Bryce. Sie können mir gern glauben, wenn ich Ihnen sage, dass mir Erkundigungen in dieser Richtung zwangsläufig zu Ohren gekommen wären.«
Louisa fröstelte. »Verstehe.«
»Ich neige dazu, Mr. Stalbridge zuzustimmen«, erklärte Corvus bedächtig. »Ich bezweifle, dass eines der Erpressungsopfer Grantley und Thurlow ermordet oder jemanden dafür bezahlt hat, sie umzubringen. Der Punkt ist, intelligente Erpresser versuchen gemeinhin nicht, Geld von Opfern zu erpressen, die ihnen gefährlich werden könnten. Ich fürchte, Sie beide müssen sich anderweitig nach dem Mörder umschauen.«
»Eine Frage noch, wenn Sie erlauben«, sagte Anthony sehr ruhig.
Corvus wartete höflich.
»Wie viele Leute, abgesehen von Ihnen, wussten, dass sowohl Grantley als auch Thurlow für Hastings arbeiteten?«
Corvus ließ sich die Frage lange und gründlich durch den Kopf gehen. »Ich hatte es mir zur Aufgabe gemacht, so viel wie möglich über Hastings herauszufinden, bevor ich mit ihm Geschäfte machte. Ich wusste natürlich von Grantley, weil er sich um die Einzelheiten des Finanzkonsortiums kümmerte. Aber
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