Riskante Nächte
von Thurlow wusste ich nicht das Geringste. Hätten Sie Miranda nicht nach der Möglichkeit gefragt, dass Hastings noch andere Handlanger hatte, und hätten Sie ihr nicht eine grobe Beschreibung gegeben, dann wäre ich wahrscheinlich nie auf ihn aufmerksam geworden. Und selbst so musste ich noch sehr tief graben, um zu bestätigen, dass tatsächlich eine Verbindung zwischen Thurlow und Hastings bestand.«
»Mit anderen Worten, die Verbindung zwischen Grantley, Thurlow und Hastings war nicht allgemein bekannt«, sagte Anthony.
»Nein«, erwiderte Corvus sehr bedächtig. »Sie war überhaupt nicht bekannt.«
37
Kurze Zeit später half Anthony Louisa in die Droschke. Sie setzte sich, strich ihre Röcke glatt und betrachtete ihn, während er es sich auf dem Sitz gegenüber bequem machte. Im Schein der Lampen wirkten seine Züge sehr einschüchternd. Seine Stirn war in tiefe Falten gelegt.
»Was überlegen Sie?«, fragte sie leise.
»Wer immer Grantley und Thurlow ermordet hat, muss über ihre Verbindung zu Hastings Bescheid gewusst haben«, sagte er.
»Ja. Hastings ist offensichtlich zu dem gleichen Schluss gekommen, denn er befürchtet, dass auch sein Leben in Gefahr ist.« Sie zögerte. »Vielleicht ist der Mörder jemand, den er bei einem Geschäft betrogen hat.«
»In diesem Fall hätte der Mörder Grantley durchaus kennen können, aber wie wahrscheinlich ist es, dass er auch über Thurlow Bescheid wusste? Selbst Corvus hatte keine Ahnung von Thurlows Verbindung zu Hastings, und er sagt, er hätte zu Beginn ihrer gemeinsamen geschäftlichen Unternehmungen gründliche Erkundigungen über den Mann angestellt.«
Sie seufzte. »Und warum Grantley und Thurlow umbringen? Würde derjenige, den er betrogen hat, sich nicht Hastings selbst vornehmen?«
»Der Mord an einem Gentleman von Hastings’ Stand wäre eine Sensation. Die Presse würde wochenlang darüber berichten. Selbst wenn es dem Mörder gelänge, die Tat wie einen weiteren Freitod aussehen zu lassen, würde die Sache viel Aufmerksamkeit erregen. Vielleicht möchte der Mörder das nicht riskieren.«
»Das ist natürlich wahr.« Sie zögerte. »Die Morde ergeben einfach keinen Sinn.«
»Dessen bin ich mir nicht so sicher.« Anthony verschränkte die Arme und streckte die Beine aus. »Es ist doch auffällig, dass der Mörder mit Grantley und Thurlow die beiden Personen aus dem Weg geräumt hat, die am meisten über Hastings’ kriminelle Geschäfte wussten.«
»Hm.«
Er lächelte leise. »Was überlegen Sie?«
»Nun, wenn ich die Absicht hätte, einen Mann zu vernichten, und dabei nicht das Risiko eingehen wollte, ihn zu ermorden, dann könnte mir schon in den Sinn kommen, die Leute aus dem Weg zu räumen, die er braucht, um seine Geschäfte durchzuführen.«
»Aber Sie würden sich damit nicht zufriedengeben«, griff Anthony nachdenklich den Faden auf. »Nicht, wenn Sie ihn wirklich vernichten ’wollten. Wenn Sie recht haben, dann befindet Hastings sich tatsächlich in großer Gefahr.«
»Nun gut. Lassen Sie uns das Problem von einer anderen Seite angehen«, sagte sie forsch. »Wie viele Leute wissen genauestens über seine Geschäfte Bescheid und haben darüber hinaus Grund, ihn vernichten zu wollen?«
»Sie meinen, abgesehen von mir?«, bemerkte er trocken.
Sie wurde rot. »Ja, abgesehen von Ihnen, Sir. Und abgesehen von den ältlichen Erpressungsopfern.«
Er überlegte einen Moment. »Wie Sie schon sagten, vielleicht ist jemand, den er betrogen hat, auf Rache aus.«
Sie wusste, sie sollte die Angelegenheit hier und jetzt auf sich beruhen lassen. Wenn sie klug wäre, würde sie nun kein weiteres Wort mehr sagen, aber sie konnte einfach nicht an sich halten. Anthony verlangte nach Antworten. Sie ebenfalls. Sie musste das Risiko eingehen.
»Unsere Liste von Verdächtigen«, setzte sie an und wählte die Worte mit Bedacht, »kann nur die Namen jener Personen enthalten, die sowohl genauestens mit Hastings’ kriminellen Geschäften vertraut waren als auch einen Grund hatten, die beiden Männer zu ermorden, die ihm bei seinen schändlichen Machenschaften halfen.«
»Es dürfte eine recht kurze Liste sein, wie Sie schon sagen. Doch wenn selbst Clement Corvus keine Vorschläge für mögliche Verdächtige anbieten konnte, dann bezweifle ich, dass wir welche finden werden.«
»Ein Verdächtiger fiele mir schon ein«, sagte sie verhalten.
»Wer?«
»Seine tote Frau.«
38
Zu ihrer Verblüffung verwarf Anthony die Überlegung nicht rundheraus.
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