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Riskante Naehe

Riskante Naehe

Titel: Riskante Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Raven
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Einkäufen auf den billigen Holztisch.
    In dem Walmart neben dem Busbahnhof hatte sie die wichtigsten Gegenstände wie Zahnbürste, Shampoo, Wäsche zum Wechseln, Kleidung und etwas zu essen gekauft. Die Verkäuferin hatte sie merkwürdig angesehen, aber ob das an ihrer Auswahl oder an ihrem Aussehen gelegen hatte, wusste Karen nicht. Sie tippte auf Letzteres, als sie sich jetzt im Spiegel betrachtete. Die Haut um ihren Stirnverband herum war bereits bläulich verfärbt und leicht angeschwollen, außerdem hatte sie diverse blaue Flecken an ihren Armen, und die Verbände an ihren Handgelenken trugen auch nicht gerade zu einem »normalen« Aussehen bei. Seufzend wandte sie sich ab.
    Sie musste so schnell wie möglich aus der Nähe von Washington verschwinden, sie fiel in ihrem momentanen Zustand auf wie ein bunter Hund. Aber erst einmal musste sie ein paar Stunden schlafen. Sie war einfach zu müde, um noch klar denken zu können. Nach einer Schnellwäsche kroch sie in T-Shirt und Slip in das weiche Hotelbett. Vorsichtshalber stellte sie sich den Radiowecker auf vier Uhr morgens. Sie wollte möglichst früh aufbrechen, damit nicht so viele Menschen auf den Straßen waren. Nachdem sie sich einige Male herumgewälzt hatte, um eine möglichst bequeme Position zu finden, schloss sie die Augen und schlief augenblicklich ein.
    Schrilles Geplärre riss Karen aus ihrem Schlaf. Entsetzt blickte sie sich um. Was war das? Das war ja nicht auszuhalten! Sie konnte sonst schon kaum Countrymusic ertragen, aber frühmorgens war ihre Toleranzgrenze extrem niedrig. Mit Wucht schlug sie auf einen der Knöpfe des Radioweckers auf dem Nachttisch, und dankenswerterweise stoppte die Musik. Dafür tat ihr die Hand wieder weh. Und mit den Schmerzen kehrten auch die gestrigen Geschehnisse mit voller Wucht wieder in ihre Erinnerung zurück. Ein großer Druck breitete sich in ihrer Brust aus. Fast Opfer eines Unfalls zu werden, war schlimm genug, aber zu erfahren, dass ihr eigener Mann plante, sie zu töten, tat höllisch weh. Tränen schossen in ihre Augen, doch sie blinkte sie rasch fort.
    Sie musste jetzt dringend einen Plan entwickeln, wohin sie gehen und was sie gegen Paul und diese Krieger Gottes unternehmen konnte. Entschlossen stand sie auf und setzte sich an den Tisch. In ihrer Tüte suchte sie nach Essbarem und fand einen Beutel mit Backwaren. Sie wählte einen Donut aus. Er war noch von gestern und daher etwas trocken, doch sie hatte Hunger. Kein Wunder, hatte sie doch seit über sechzehn Stunden nichts mehr zu sich genommen. Gierig biss sie hinein, während sie plante, wie sie weiter vorgehen würde.
    Es gab niemanden, den sie um Hilfe bitten oder bei dem sie sich wenigstens verstecken konnte. Seit sie aus Apache, Oklahoma, weggezogen war, hatte sie sich ausschließlich um ihr Studium und später dann ihre Arbeit gekümmert. Soziale Kontakte hatte es für sie kaum gegeben. Wenn sie nicht irgendwann im Einkaufszentrum Paul angerempelt und von den Füßen geholt hätte, wäre sie jetzt wahrscheinlich immer noch allein. Der letzte Bissen blieb ihr im Hals stecken. Falsch, sie war allein. Vollständig, absolut allein.
    Energisch stemmte sie sich in die Höhe und humpelte ins Badezimmer. Sie würde jetzt versuchen, ihr Aussehen etwas zu verbessern, und dann abreisen. Wohin, wusste sie zwar immer noch nicht, aber ihr würde schon etwas einfallen. Nach einer kurzen Wäsche am Waschbecken, bei der sie die Verbände trocken zu halten versuchte, bändigte sie ihre langen blonden Haare in einem ordentlichen Zopf und legte eine leichte Schicht Make-up auf, um ihre Blässe zu vertreiben und den Bluterguss im Gesicht zumindest teilweise zu überdecken. Als Nächstes wechselte sie den Verband an ihrem Kopf gegen einen wesentlich kleineren. Als Letztes noch ein bisschen Lippenstift – und sie sah wieder halbwegs menschlich aus.
    Den Rock vom Vortag tauschte sie gegen eine weite schwarze Hose ein, die sie im Walmart erstanden hatte. Nicht besonders schick, aber immerhin waren so ihre verbundenen Knie verdeckt. Dazu trug sie ein dunkelrotes T-Shirt. Karen schnitt eine Grimasse, als sie sich betrachtete. Sie sah aus wie eine wandelnde Litfaßsäule. Sofort schob sie den Gedanken beiseite. Es war viel wichtiger, heil aus diesem Staat herauszukommen, als dabei eine gute Figur zu machen. Das war bei ihr sowieso nicht möglich. Also, wo sollte sie hinfahren? Einfach in der Gegend herum und hoffen, dass niemand sie fand? Nein, sie konnte nicht den Rest

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