Riskante Naehe
in einer Ecke auch eine Puppe, die an Fäden von der Decke hing. Es war eine Frauenfigur, die auf einem Stück Baumwurzel saß.
Sie starrte immer noch wie verzaubert auf die Figur, als Clint lautlos hinter sie trat. »Die ist von meiner Mutter.«
Erschrocken wirbelte Karen herum. »Schleichen Sie sich doch nicht so an!« Sie presste eine Hand auf ihr wild klopfendes Herz.
»Tut mir leid. Sie können jetzt ins Bett gehen, es ist alles fertig.«
Karen lächelte ihn entschuldigend an. »Ich wollte Sie nicht anfauchen. Derzeit sind meine Nerven wohl etwas überlastet.«
Clint blickte sie ruhig an. »Kein Problem. Das Bad ist hinter der zweiten Tür im Flur.«
Karen nickte und humpelte langsam zum Durchgang. »Danke für alles! Ich wusste nicht, an wen ich mich sonst hätte wenden sollen.«
Clint nickte ihr zu und drehte sich dann wieder zur Puppe um.
Karen Lombard halb nackt in seinem Bett. Schon allein der Gedanke ließ Clint in Schweiß ausbrechen. Er war fast froh darüber, dass er auf der zu kurzen Couch liegen musste, andernfalls hätte er gar nichts gehabt, das ihn von seinen erotischen Fantasien ablenkte. Außer natürlich seine düsteren Gedanken über Entführung, Tod, Unfälle und ein verdammtes Schwein von Ehemann. Er hatte wahrscheinlich recht gehabt, dass etwas an der Entführung damals nicht richtig gewesen war. Und wegen dieses falschen Klappergestells von Ehemann war ein guter Mann seines Teams gestorben.
Die Wut, die er in den letzten Jahren immer unterdrückt hatte, kochte wieder in ihm hoch. Wie konnte Paul Lombard überhaupt daran denken, Karen auch nur ein Haar zu krümmen? Wenn sie seine Frau gewesen wäre … Ruckartig drehte Clint sich herum. Woher kamen nur immer wieder diese Gedanken? Er sollte lieber schlafen oder sich zumindest einen Plan überlegen, wie er Karen helfen könnte.
Als der Morgen dämmerte, lag er immer noch wach da und dachte an weiche Lippen und einen anschmiegsamen Leib. Sein Körper war steif wie ein Brett – alles an ihm. Übellaunig beschloss er, aufzustehen und im Stall nach dem kranken Pferd zu sehen, bevor Karen erwachte. Lautlos zog er sich an, hinterließ Karen eine kurze Nachricht, wo er zu finden war, und verließ die Hütte.
14
Leise ging Clint die Reihe der Pferdeboxen entlang. Er liebte den Geruch und die Geräusche in einem Pferdestall. In den mit frischem Stroh gefüllten Boxen schliefen einige Pferde, andere scharrten mit den Hufen über den Boden. Clint tätschelte ein paar neugierige Köpfe, die sich über den Rand der Boxen schoben, während er den langen Gang hinabging. Devil erkannte seinen Schritt genau und begrüßte ihn bereits schnaubend. Leise lachend holte Clint ein Buttermilchbonbon aus seiner Hemdtasche. Er strich Devil sanft über die Nüstern, während der genüsslich kaute. Heute setzte Clint sich allerdings nicht zu ihm in die Box, sondern ging nach einem letzten Tätscheln weiter, um nach der kranken Stute zu sehen. Devil wieherte protestierend.
»Jetzt nicht, Devil. Vielleicht später.«
Die Krankenbox war etwa doppelt so groß wie eine normale und mit viel frischem Stroh gepolstert. Die Stute stand erschöpft an eine Holzwand gelehnt. Sie sah schon wesentlich besser aus als gestern. Clint ging zu ihr und sprach beruhigend auf sie ein. Dabei bemerkte er Shannon. Sie saß in einer Ecke der Box und blickte starr vor sich hin.
»Shannon? Was machst du denn hier?«
Verwirrt blickte sie auf. Dann klärte sich ihr Blick. »Ach, du bist es. Ich warte darauf, dass mich die Muse wieder küsst.«
Clint ließ sich neben ihr nieder. »Hast du eine Schreibblockade?«
Shannon schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bin nur gerade mit einem Kapitel fertig und weiß noch nicht genau, wie das nächste weitergehen soll. Das passiert mir öfter. Ich muss dann nur eine Zeit lang abschalten, und schon kommen mir von selbst neue Ideen.«
»Dann ist es ja gut. Wie lange sitzt du schon hier?« Er legte einen Arm um ihre Schultern.
»Ich habe keine Ahnung.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wie du überhaupt arbeiten kannst, wenn du dir ständig die Nächte um die Ohren schlägst.«
Shannon zuckte mit den Schultern. »Das tue ich ja nicht ständig. Ich bin im Moment nur so … rastlos.«
»Gibt es dafür einen bestimmten Grund?«
»Eigentlich nicht. Ich wüsste jedenfalls keinen.«
Oberflächlich gesehen hatte Shannon tatsächlich alles: Sie war beruflich erfolgreich, hatte genug Geld, eine Familie, die sie liebte, und sie konnte
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