Riskante Versuchung
ihn als Barkeeper eingestellt hatte. Normalerweise bevorzugte er ehemalige Rausschmeißer - riesige Kerle mit Bizeps vom Umfang ihres Oberschenkels. Oder er engagierte arbeitslose Comedians. Pete war weder das eine noch das andere.
Der Mann war nicht mager, aber ein Arnold Schwarzenegger war er auch nicht. Und was seinen Sinn für Humor anging - einen Spaßvogel konnte man ihn absolut nicht nennen. Etwas Eigenartiges ging von ihm aus, und das lag nicht nur daran, dass er Jess die ganze Zeit zu beobachten schien - schließlich trat sie hier auf, da sollten die Leute ihr auch zusehen.
Sie stellte ihr Mikrofon ein und begann ein sanftes Instrumentalstück zu spielen. Konzentriert schloss sie die Augen, und es dauerte nicht lang, bis sie sich ganz in der Musik verlor.
Sein Körper vibrierte. Jeder Nerv war bis zum Zerreißen gespannt.
Er konnte sie nicht haben.
Sie sang. Ihre wundervolle Stimme drang in sein Ohr. Eigentlich hätte diese Stimme eine beruhigende Wirkung auf ihn haben müssen - stattdessen drang sie wie Stacheln in seine ohnehin schon empfindliche Haut. Und der Applaus schnitt ihm wie ein Messer ins Hirn.
Doch er konnte nicht gehen, denn ihr dunkles seidiges Haar glänzte im Licht der Scheinwerfer, während es schien, als ginge ihr Blick über das still lauschende Publikum hinweg zu ihm. Als singe sie nur für ihn. Für ihn. Sie musste für ihn singen. Er wusste es.
Er konnte nicht gehen, aber auch nicht bleiben. Also saß er einfach da und spürte die Wut in sich aufsteigen und in seinen Adern brodeln.
4. KAPITEL
Es war schon nach eins, als Jess die Gitarre im Kofferraum ihres Wagens verstaute.
Der Parkplatz war fast leer, und im Pelican Club gingen nacheinander die Lichter aus.
Rob trug Kelsey. Er setzte das schlafende Kind sanft auf den Rücksitz und schnallte es an. Vorsichtig, um sich nicht den Kopf zu stoßen, zog er sich wieder aus dem Wagen zurück und schloss leise die Tür.
So hatte Jess sich das Ende ihres gemeinsamen Abends nicht vorgestellt. Sie würden jeder mit dem eigenen Wagen nach Hause fahren, Jess noch dazu mit einem schlafenden Kind auf dem Rücksitz. Kurios war dabei, dass sie, nachdem sie sich hier eine gute Nacht gewünscht hatten, beide zum gleichen Haus fahren würden.
Rob betrachtete sie. Sein Gesicht lag im Schatten.
„Tja“, sagte Jess, um das Schweigen zu beenden. „Das war ein echter Zirkus, was?“
Er wandte den Blick ab. „Es tut mir leid, dass Ian aufgetaucht ist.“
„Das konntest du doch nicht wissen.“
„Ich hätte es wissen müssen.“
„Es ist eben passiert.“
„Ich habe mich mies gefühlt wegen Kelsey“, gestand er.
Jess sah zu ihrem Wagen, in dem das Kind noch immer schlief. „Ian schenkt ihr überhaupt keine Beachtung. Das ist unglaublich. Er hat nicht einmal Hallo gesagt. Das verletzt sie sehr, deshalb versuche ich ihn von ihr fernzuhalten.“ Sie seufzte. „Das ist zwar keine Lösung, aber momentan ist es so am besten für Kelsey.“
„Es könnte schlimmer sein.“
Erneut verfielen sie in Schweigen. Jess konnte das Plätschern der Wellen am Steg neben dem Restaurant hören. Im Gras und den Bäumen zirpten Insekten. Irgendwo bellte ein Hund.
„Tja“, stieß Jess noch einmal aus. „Dann bringe ich Kelsey mal lieber nach Hause.“
Rob sah auf und sagte hastig: „Jess, ich muss dir sagen, dass ich das nicht …“
Ehe er den Satz beenden konnte, gingen die letzten Lichter des Clubs aus, sodass sie von plötzlicher Dunkelheit umgeben waren.
„… dass ich das nicht kann“, meinte Rob leise.
Die Dunkelheit schien samtig und warm zu sein. Sie umgab sie vollkommen, schnitt sie vom Rest der Welt ab und trennte sie voneinander.
„Wow“, entfuhr es Jess, und unsicher streckte sie die Hand aus. „Ist das dunkel. Wo bist du?“
„Hier“, antwortete er und legte eine Hand auf ihren Arm oberhalb des Ellbogens. „Ich bin hier.“
„Was kannst du nicht?“, fragte sie. „Ich verstehe nicht ganz.“
Er lockerte den Griff und ließ die Hand ihren Arm hinauf bis zu ihrer Schulter gleiten. Auf der anderen Seite des Parkplatzes hielten sich noch Leute auf, doch durch die Dunkelheit waren Rob und Jess zum ersten Mal an diesem Abend völlig ungestört.
Jess machte einen Schritt auf ihn zu, während er sie bereits in die Arme schloss.
„O Himmel“, flüsterte er und drückte sie an sich. „Jess.“
Sie fühlte seine Wärme, die Stärke seiner Arme, seine muskulöse Brust, die athletische Kraft seiner Oberschenkel. Wohlig
Weitere Kostenlose Bücher