Riskante Versuchung
warst, habe ich Rob gefragt, ob er in dich verliebt ist. Du weißt schon, wie Arielle und Prinz Eric in ‚Die kleine Meerjungfrau‘.“
Jess schnürte es die Kehle zu. „O Kel.“ Am liebsten hätte sie gefragt, was er daraufhin gesagt hatte. Sogleich schämte sie sich dafür. Sieh dich nur an, dachte sie. Du bist drauf und dran, deine Tochter auszuhorchen wie eine liebeskranke Siebtklässlerin.
„Er meinte, es sei mehr wie in ‚Die Schöne und das Biest‘, und dann hat er ein ziemlich trauriges Gesicht gemacht.“ Kelsey holte tief Luft. „Aber da war ich glücklich, weil das Biest sich nämlich in dem Film zurückverwandelt und am Schluss Belle heiratet. Und vielleicht bedeutet das ja, dass du und Rob auch heiratet und wir alle glücklich bis in alle Ewigkeit werden.“
Es folgte ein Moment der Stille, während Jess das alles zu verarbeiten versuchte.
Düster fügte Kelsey hinzu: „Aber dann tauchte Ian auf, und er war so grob zu dir und hat fiese Sachen gesagt. Ich war wütend auf ihn, und als Rob mit mir bei den Videospielen war, habe ich nur so getan, als würde ich spielen, weil ich so sauer auf Ian war …“
„Das tut mir leid, Kel“, murmelte Jess und hob ihre Tochter vom Rücksitz auf ihren Schoß.
„Dann hat Rob mir erzählt, es sei nicht Ians Schuld, dass er so grob gewesen ist. Rob hat gesagt, Ian ist wütend, weil er dich noch immer liebt, aber ich habe Rob gesagt, wenn das stimmt, wäre Ian nicht so gemein zu dir. Dann hab ich ihm erzählt, wie Ian früher immer rumgebrüllt hat und Sachen kaputt gemacht hat und du deswegen geweint hast und dass ich froh bin, dass er nicht mehr bei uns wohnt. Ich habe ihm gesagt, dass ich Ian hasse.“
„Wie hat er darauf reagiert?“, fragte Jess und sah in das ernste Gesicht ihrer Tochter.
Kelsey stutzte, und ihre Miene entspannte sich. „Rob hat mir erklärt, dass es ganz okay ist, wenn ich wütend auf Ian bin. Er meinte, er sei auch ziemlich wütend gewesen. Aber ich sollte ruhig ein bisschen nachsichtig sein mit Ian, weil er mein Vater ist, auch wenn er nicht will, dass ich ihn ‚Dad‘ nenne. Außerdem hat er gesagt, wenn ich eines Tages älter bin, könnte ich Ian besser verstehen und ihn vielleicht sogar ein bisschen gernhaben. Er meinte, Ian ist dann auch ein wenig älter, und das würde es vielleicht einfacher machen.“
Jess wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.
„Rob ist ein ziemlich kluger Mann“, sagte sie und atmete tief ein. „Hör mal, Ian hat Rob nicht vergrault.“ Nein, das hatte sie ganz allein geschafft. „Verstanden?“
„Ja.“ Kelsey sah weiter skeptisch aus. „Und wirst du nun Rob heiraten?“
Jess drückte ihre Tochter fest an sich. „Wir sind einmal zusammen ausgegangen.“ Ein Date, dem höchstwahrscheinlich keine weiteren folgen würden. „Man heiratet nicht gleich nach der ersten Verabredung.“
„Prinz Eric und Arielle schon“, konterte Kelsey. „Und Belle und das Biest auch.“
Jess gab ihrer Tochter einen Kuss. „Ach, wenn das Leben nur so einfach wäre wie ein Zeichentrickfilm!“
„Mord auf Siesta Key - Opfer Nummer zwölf?“
Die sensationelle Zeitungsschlagzeile fiel Jess im Tankstellenshop ins Auge.
Eine Frau war in der vergangenen Nacht am Strand von Siesta Key ermordet worden. Kaum eine Meile vom Pelican Club entfernt.
Jess überflog den Artikel. Der Gerichtsmediziner hatte den Todeszeitpunkt auf ein Uhr dreißig datiert - kurz nachdem sie und Rob den Club verlassen hatten. Nur Minuten nach diesem desaströsen Kuss.
Wohin war Rob danach gefahren? Was hatte er gemacht? Natürlich war er nicht nach Crescent Beach gefahren und hatte einer Frau die Kehle durchgeschnitten. Oder doch?
Die unerfreuliche Wahrheit lautete, dass Jess es nicht mit Sicherheit sagen konnte. Dazu kannte sie Rob zu wenig. Sie wusste, dass er eine dunkle Seite besaß und in der Vergangenheit Gewalt erlebt hatte. Aber wie dunkel war diese Seite? Mit wie viel Gewalt war er konfrontiert worden?
Laut dem Artikel zögerte die Polizei, die neueste Tat dem Sarasota-Serienmörder zuzurechnen. Sämtliche vorangegangenen Morde waren in den Schlafzimmern der Opfer begangen worden. Dieser jedoch war am Strand passiert, in aller Öffentlichkeit, nicht weit entfernt von der Gegend, in der Jess‘ Eltern ein Strandhaus besaßen. Außerdem passte die Frau nicht in das Opferschema des Mörders. Sie war älter und hatte hellbraunes Haar.
Nicht dass es eine Rolle spielte. Die arme Frau war tot.
Irgendwie wurde Jess das
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