Risotto Mit Otto
alle Glieder fuhr, möglichst wenig Raum zu geben.
»Für mich schon. Außerdem habe ich es vor zwei Jahren schon mal mit einer Fernbeziehung probiert und bin dabei mit voller Wucht auf die Schnauze gefallen. So etwas will ich nicht noch mal erleben.«
»Aber …« Bloß nicht weinen, jetzt bloß nicht losheulen!, hämmerte es unaufhörlich in meinem Kopf.
»Weißt du, ich bin mit Leib und Seele Münchner und kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, woanders zu leben, schon gar nicht außerhalb von Deutschland.« Er seufzte tief, ehe er weitersprach. »Ja, nicht mal außerhalb von Bayern. Wenn ich mit einer Frau zusammen bin, dann will ich sie an meiner Seite haben und nicht über tausend Kilometer entfernt. Ich will abends neben ihr einschlafen und morgens neben ihr aufwachen, und das nicht nur alle drei Monate, sondern so oft wie nur möglich. Ich hasse es, zu telefonieren oder Mails zu schreiben, ich habe die Menschen am liebsten vor mir. Erst recht die Frau, die ich liebe.« Er sah mich fast verzweifelt an. »Verstehst du das?«
»Deshalb hast du dich also von mir zurückgezogen!«, rief ich und konnte nicht verhindern, dass mir eine Träne über die Wange kullerte.
Otto ließ meine Hand los und wischte sie zärtlich weg. »Ja, ich wollte Abstand gewinnen. Ich konnte dich nicht mehr so oft sehen. Ich habe gehofft, dadurch würde es besser.«
»Hat es denn funktioniert?«, hakte ich nach und ließ den Blick durch die Küche schweifen, um die Tränen wegzublinzeln.
Er nickte nur, ohne mich anzusehen. Dabei lehnte er sich auf seinem Stuhl so weit nach hinten, dass die Lehne bedrohlich knarzte. Es hatte ihn sichtlich große Überwindung gekostet, so ehrlich und offen über seine Gefühle zu reden, und er fühlte sich mehr als unwohl in seiner Haut.
»Du kannst ruhig die Tür nehmen«, sagte ich und wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte, »durch die Wand geht’s nicht nach draußen.«
Er grinste gequält. »Sieht man es mir so deutlich an?«
Diesmal nickte ich.
Bei seinen Worten war mir ganz schlecht geworden. Ich wusste weder, was ich fühlen, noch, was ich tun oder was sagen sollte, daher starrte ich nur auf die Tischdecke und hoffte, Otto, ich, diese Küche und die halbe Welt mochten sich in Luft auflösen, doch leider war niemand gewillt, mir diesen Gefallen zu tun.
Nachdem wir erst eine Weile verlegen geschwiegen, dann eine Weile verlegen gegrinst und schließlich beide laut gelacht hatten, stand ich auf, zog ihn an der Hand von seinem Stuhl hoch und nahm ihn spontan in den Arm. Nun liefen mir doch wieder die Tränen über die Wangen, während wir uns festhielten und ich den Kopf an seine Schulter lehnte. Es fühlte sich gut an. Ziemlich gut. Viel zu gut.
»Ich hoffe, wir können Freunde bleiben«, sagte er leise und streifte dabei mit dem Kinn mein Ohrläppchen.
»Bestimmt«, erwiderte ich und versuchte, es auch so zu meinen.
Völlig überfordert von der Situation und meinen Gefühlen, erwachte mein Fluchtinstinkt, und ich sah zu, dass ich nach drüben in unsere Wohnung kam. Froh, dass ich niemandem begegnete, der mir meine Aufgewühltheit ansah, hastete ich ins Bad und anschließend sofort ins Bett. Noch ehe ich weiter über den Abend nachdenken konnte, war ich auch schon eingeschlafen. So viel zum Thema Flucht.
Leider gab es da noch eine weitere Angelegenheit, vor der ich jedoch nicht flüchten konnte, und die hieß Signor Colluti. Ich hatte es zwar geschafft, das Geld für die Nebenkosten irgendwie zusammenzukratzen, aber dafür hatte ich mir seit gefühlten sieben Jahren nichts Neues zum Anziehen gekauft und lebte auch sonst auf Sparflamme, was mir gehörig gegen den Strich ging. Ich durfte die Sache nicht auf sich beruhen lassen, auch wenn ich es nur zu gerne gewollt hätte.
Anfangs hatte ich mich noch eine Weile selbst ruhiggestellt, mit der Begründung, ich müsse erst die Sache mit Otto verdauen und mich außerdem auf die Uni konzentrieren und könne mich daher nicht um die Angelegenheit kümmern. Ottos Offenbarung hatte mein Gefühlsleben gehörig durcheinandergewirbelt. Ganz entgegen meiner Veranlagung behielt ich meine Zweifel und Hoffnungen jedoch für mich. Nicht mal Vale vertraute ich mich an, sondern versuchte, die Sache ganz allein mit mir auszumachen.
Der Verursacher meiner Verwirrung ging mir weiterhin aus dem Weg, und nachdem ich mehrfach kurz davor gewesen war, ihn mit einem Temperamentsausbruch all ' italiana zur Rede zu stellen, fügte ich mich in mein
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