Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Risotto Mit Otto

Titel: Risotto Mit Otto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Troni
Vom Netzwerk:
schaute ich mich um, ob jemand mithörte, wie mein sonst so stoischer Vater, dem Herzinfarkt bedrohlich nahe, um sein Leben brüllte. Niemand war zu sehen, dennoch hielt ich die linke Hand über das Telefon, als wollte ich die unguten Schwingungen abfangen, die aus Italien zu mir in diese beschauliche Münchner Straße herüberdrangen. Da ich das Oberhaupt meiner Familie nur zu gut kannte, wusste ich, dass jedes Wort, egal ob beschwichtigend, verteidigend oder anklagend, falsch sein würde, daher hielt ich wohlweislich den Mund und wartete ab, bis das Gewitter sich verzog. Spurlos ging die Tirade meines geliebten babbo dennoch nicht an mir vorüber, denn natürlich hatte ich ein fürchterlich schlechtes Gewissen, weil ich meinen Eltern seit Monaten eine Komödie vorspielte, wie sie selbst die unprofessionellste Laienschauspieltruppe nicht schlechter hätte inszenieren können.
    Aber was hätte ich denn tun sollen? Ich hatte meine Eltern doch nicht absichtlich belogen. Abgesehen davon hatte ich im Grunde gar nicht richtig gelogen – das hatte ich damals wohlweislich Signor Colluti überlassen –, sondern ihnen lediglich die Wahrheit vorenthalten. Und das ist etwas ganz anderes.
    »Du kommst auf der Stelle nach Hause zurück«, wetterte babbo am anderen Ende der Leitung, und ich zuckte zusammen, als hätte er mir eine Ohrfeige verpasst. »Keinen Tag länger als unbedingt nötig bleibst du in diesem ruchlosen Land. Der Umgang mit diesen Barbaren hat dich wohl vergessen lassen, wie man sich seinen Eltern gegenüber verhält! Deine Mutter und ich sind fassungslos. So was Undankbares«, schimpfte er.
    Um mich nicht mit meinen eigenen Fehlern auseinandersetzen zu müssen, verteufelte ich Signor Colluti und steigerte mich dabei so richtig in meine Wut auf diesen vermeintlich vertrauenswürdigen signore hinein. »Dieser miese Typ!, zischte ich.
    Während mich babbo in aller Ausführlichkeit bei gleichbleibender Lautstärke darüber ins Bild setzte, welche Pläne er für mein weiteres Leben hatte, für das er mir offenbar jegliche Eigenverantwortung zu entziehen gedachte, überlegte ich fieberhaft, wie ich ohne bleibende Schäden aus der Angelegenheit herauskommen könnte. Binnen Sekunden ersann ich einen Ausredenkatalog von der Länge der UN-Charta, doch noch während ich im Geiste die einzelnen Punkte formulierte, war mir klar, dass mir selbst der beste Anwalt nicht aus der Patsche würde helfen können. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich dem Problem zu stellen und die Konsequenzen meiner Aktion zu tragen. Noch vor einem halben Jahr hätte ich nach allen Regeln der Kunst versucht, meinen babbo davon zu überzeugen, dass ich im Grunde gar nichts dafür konnte, dass geschehen war, was geschehen war. Ich hätte geredet und gejammert und geweint und gedroht und palavert und alle Register gezogen.
    Jetzt dagegen sagte ich nur: »Du hast recht. Es tut mir furchtbar leid. Das hätte ich nie tun dürfen. Ich kann mich nur bei euch entschuldigen.«
    Die ungewohnte Reaktion meinerseits verwirrte meinen Vater so sehr, dass er augenblicklich verstummte.
    Ich erkannte die einmalige Chance auf eine Verteidigungsrede vor dem Tribunal und ergriff sie. »Bitte hab doch Verständnis für meine Lage. Dieser Colluti ist ein waschechter Betrüger. Der hat die ganze Zeit euer Geld eingesteckt und wollte es nicht rausrücken. Ich hätte es euch auf jeden Fall zurückgegeben. Zuletzt hat er mich sogar bedroht.«
    Nun war babbo vollends verwirrt. »Angela, was behauptest du denn da? Signor Colluti ist ein ehrenwerter, äußerst vertrauenswürdiger Mann, das hat mein Chef mir mehrfach versichert. Sonst hätten wir dich doch niemals in diese Stadt ziehen lassen. Er hat sich doch die ganze Zeit bestens um dich gekümmert. Und was heißt hier bedroht? Wie kommst du nur dazu, ihn derart zu beschuldigen? Sieh dich vor, was du sagst.«
    »Pah, vertrauenswürdig, dass ich nicht lache«, erwiderte ich darauf nur, und meine Zerknirschtheit wich augenblicklich wieder blanker Empörung. Offenbar hatte dieser Colluti meinem Vater nur die halbe Geschichte erzählt. Ganz schlau wurde ich daraus nicht, doch das musste warten. Meine Verteidigung war erst mal wichtiger. »Ich kann es immer noch nicht fassen, dass dieser miese Kerl …« Weiter kam ich nicht.
    »Ich will kein Wort davon hören«, fuhr mir mein Vater in die Parade. »Du kaufst dir morgen eine Fahrkarte nach Riccione und kommst so schnell wie möglich zurück nach Hause.«
    »Aber babbo, ich

Weitere Kostenlose Bücher