Risotto Mit Otto
aufpassen!«, herrschte er mich an, und seine blauen Augen funkelten finster. »So eine Schweinerei!«, wetterte er. Dabei deutete er auf den Kaffeebecher in seiner linken Hand, dessen Inhalt sich über seine Jeans ergossen hatte. Fluchend versuchte er, den Fleck wegzuwischen, doch der dunkelbraune Rand war auf der Hose gut zu erkennen, und auch das weiße Hemd hatte ein paar Spritzer abbekommen.
»T-t-tut mir l-l-leid«, stotterte ich, knallrot im Gesicht. »Ich mach das wieder gut«, versuchte ich anzubieten.
Er ließ mich nicht mal richtig ausreden. »Wie denn? Wegen Ihnen verpasse ich noch meinen Zug. Gehen Sie mir jetzt endlich aus dem Weg. Ich hab’s eilig.« Damit drängte er sich an mir vorbei und stürmte auf den Bahnsteig, den ich gerade verlassen wollte.
Wütend starrte ich ihm hinterher. Was bildete sich dieser Vollpfosten bloß ein! Ich hatte ihm den Kaffee ja wohl kaum mit Absicht übergeschüttet. Und in welchem Ton redete er überhaupt mit mir? Der war doch höchstens so alt wie ich. Wieso siezte er mich überhaupt? War das hier unter jungen Leuten so üblich?
So euphorisch ich nach der Begegnung mit Beate gewesen war, so sehr holte mich dieses unschöne Erlebnis auf den Boden der Tatsachen zurück. Auf einmal fiel mir auf, dass mich einige der umstehenden Passagiere abfällig musterten, als hätte ich mir gerade sonst was zuschulden kommen lassen.
Nichts wie weg hier, dachte ich nun schon zum zweiten Mal an diesem Morgen und lief, so schnell ich konnte, an den Geschäften und dem riesigen Bonbonstand mitten in der Ankunftshalle vorbei nach draußen, um Luft zu schnappen. Ich musste nachdenken, und dazu brauchte ich Sauerstoff.
Fünf Stunden später saß ich am Stachus, wie die Münchner den Karlsplatz nennen, in einem Café und dachte bei einem espresso macchiato über meine Lage nach. Mein Gepäck hatte ich eingeschlossen, in drei Schließfächer, und danach war ich erst mal ziellos durch die Straßen und die Fußgängerzone gelaufen, um mit mir selbst zu beratschlagen, wie es weitergehen sollte. Zwischenzeitlich hatte ich im Minutentakt mit Vale gesimst, ohne dass sie mir wirklich hätte weiterhelfen können. Nun saß ich nach einer üppigen Portion Penne all’arrabiata vor der riesigen Wasserfontäne am Stachusbrunnen in der Sonne und beobachtete, wie das Wasser in hohem Bogen aus den unzähligen Düsen sprühte.
Kohlenhydrate unterstützen meinen Denkprozess zuverlässiger als Bewegung, was man meiner Figur leider ansieht. Aber dagegen kann ich nun wirklich nichts machen. Zum einen habe ich chronisch Hunger, was mit Sicherheit genetisch bedingt ist, da es babbo ganz genauso geht. Zum anderen ziehe ich mir komischerweise immer dann eine schwere Erkältung zu, wenn ich mal wieder anfangen will, Sport zu machen.
Ich schob mir das kleine Schokotäfelchen in den Mund, das ich zum Kaffee bekommen hatte, und versuchte, mir von der Angst, die mir den Rücken hochkroch, nicht den Schneid abkaufen zu lassen.
Realistisch, wie ich war, ging ich meine Möglichkeiten durch, ohne mir etwas schönzureden. Ich hatte genau drei Optionen: Ich konnte den nächsten Zug in Richtung Italien nehmen und zurückfahren, ich konnte versuchen, Signor Colluti zu erreichen, und ich konnte meine Eltern um Hilfe bitten. Seufzend trank ich den letzten Schluck aus der Tasse, denn keine der Varianten erschien mir sonderlich verlockend. Obwohl …
Wieso ist mir der Gedanke nicht schon früher gekommen?, fragte ich mich, während ich in den Kontakten meines Handy-Adressbuches nach dem Eintrag suchte, der die kleine, zarte Pflanze namens Hoffnung in meinem Innern wieder sprießen ließ. Aufgeregt wartete ich auf das Freizeichen und drückte dann auf »Verbinden«. Erst herrschte Stille, dann ertönte das Besetztzeichen. Egal, meine Rettung stand unmittelbar bevor, so viel war sicher.
Ich wollte gerade die Wahlwiederholungstaste drücken, da klingelte mein Handy. Gedankenübertragung?, dachte ich, linste auf das Display – und erschrak zutiefst. Mamma ! Für einen kurzen Moment überlegte ich, den Anruf zu ignorieren, dabei wusste ich genau, dass ich mir damit keinen Gefallen tat. Meine Mutter kann extrem hartnäckig sein, und geladen war sie sicher auch, da ich ihr fest versprochen hatte, mich bei meiner Ankunft zu melden.
»Pronto« , sagte ich zögerlich und rechnete mit dem Schlimmsten.
»Angela mein Kind ein Glück erreiche ich dich ich habe mir ja schon solche Sorgen gemacht das kannst du dir nicht vorstellen
Weitere Kostenlose Bücher