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Risotto Mit Otto

Titel: Risotto Mit Otto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Troni
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typischen wie unanständigen italienischen Geste vermittelt, was ich von ihrer Neugierde hielt, aber ich besann mich eines Besseren und grüßte sie knapp im Vorübergehen. Sie nickte gnädig, nicht ohne mir einen misstrauischen – den wievielten eigentlich? – Blick zuzuwerfen. Es war mir egal, ich hatte gerade wahrlich andere Sorgen.
    Nachdem ich den ersten Treppenabsatz im Laufschritt erklommen hatte, merkte ich, dass Otto mir folgte, und wunderte mich. Mit fragender Miene blieb ich stehen und drehte mich zu ihm um.
    Er verstand meinen Blick sofort, denn er wurde sichtlich verlegen und fing an zu stammeln: »Ich … äh … dachte, du könntest jetzt ein bisschen Gesellschaft gebrauchen. Bei euch in der WG ist, glaube ich, niemand da. Vielleicht magst du mit zu uns rüberkommen, ich könnte ’nen Wein aufmachen …« Abwartend stand er da, während ich nun wieder eine Stufe nach der anderen nahm.
    »Danke, das ist sehr lieb von dir«, sagte ich über die Schulter und wandte mich schnell ab, damit er mich nicht weinen sah. »Aber ich will nur noch in mein Bett.«
    Damit schlüpfte ich durch die Tür, schaffte es gerade noch, den M&Ms in der Küche ein »Hi« zuzuwerfen, und verbarrikadierte mich nach einem Blitzbesuch im Bad, was für mich mehr als ungewöhnlich war, in meinem Zimmer unter der Bettdecke, um meinem persönlichen Weltuntergang entgegenzusehen.
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, kam es mir vor, als hätte ich nur schlecht geträumt, und das Erlebnis mit Ben erschien mir total unwirklich. Wie immer griff ich zuerst nach meiner Brille und dann nach meinem Handy, das mir vorwurfsvoll entgegenblinkte. Zwei Nachrichten von Vale und sage und schreibe fünf entgangene Anrufe von Ben.
    Pah, geschieht ihm ganz recht, dachte ich wider Willen gebauchpinselt, der kann sich die Finger wund wählen, bis er so dicke Hornhaut bekommt, dass sein Ehering nicht mehr drüberpasst. Mein Selbstwertgefühl stieg augenblicklich in astronomische Höhen und überzog die nach wie vor gärende Wut mit einer dicken Schicht besänftigendem Balsam. Wenn er es noch mal so oft versucht, gehe ich vielleicht ran und jage ihn höchstpersönlich zum Teufel – aber nur dann, überlegte ich selbstgefällig.
    Ich scrollte zu Vales letzter SMS zurück, tippte schnell » grande disastro  – mehr erzähle ich dir später« und drückte auf »Senden«, ehe ich unter die Dusche sprang und einen neuen Geschwindigkeitsrekord im Haareföhnen aufstellte. Beate und ich wollten heute mal wieder gemeinsam zur Uni fahren, und ich wollte mir nicht den Ruf erwerben, eine typisch unzuverlässige und notorisch unpünktliche Italienerin zu sein.
    Tatsächlich schaffte ich es, und nachdem ich ihr in der U-Bahn von meinem Romantik-Waterloo erzählt hatte, nicht ohne ihren triumphierenden Hab-ich’s-doch-gewusst!-Blick zu ignorieren, gab sie mir noch ein »Um den Typen ist es echt nicht schade« mit auf den Weg, ehe sie in ihren Seminarraum hastete. Mein Stundenplan war inzwischen auch ganz gut gefüllt, ich hatte zum Glück doch noch einige Seminare und Vorlesungen belegen können und war ganz zufrieden mit mir. Nur den Professor, der die literaturwissenschaftliche Einführungsveranstaltung hielt, hatte ich bisher nicht erwischt, um mir den Platz in seinem Seminar noch rechtmäßig zu erflirten. Bisher hatte ich mich nur reingeschmuggelt, was bei der übervollen Veranstaltung nicht weiter auffiel, aber um die Klausur mitschreiben zu können, musste ich auch offiziell auf der Teilnehmerliste stehen.
    Das wollte ich gleich nach der Mittagspause erledigen, nun stand erst mal Der Zauberberg von Thomas Mann auf dem Plan, und ich freute mich schon darauf, Elin wiederzusehen, die nette Schwedin, die mich an meinem ersten Tag an der Uni aus meiner Semesteranfangsdepression befreit hatte. Sie hatte mir tatsächlich einen Platz frei gehalten, und ich konnte gerade noch rechtzeitig auf den Stuhl rutschen, ehe der Professor den Raum betrat.
    Seite an Seite diskutierten wir in den folgenden neunzig Minuten den Roman des berühmten Schriftstellers als »Geschichte einer erotisch-geistigen Steigerung unter hermetischen Bedingungen« sowie das Spannungsfeld zwischen Hermeneutik und Dekonstruktion, was mich bisweilen überforderte. Elin quittierte meine hilflosen bis verzweifelten Seitenblicke beharrlich mit einem aufmunternden Lächeln, um die drohende Panikattacke abzuwenden.
    »Keine Sorge, den Schein am Ende des Semesters schaffst du schon«, beteuerte sie

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