Risotto Mit Otto
nach dem Seminar, als ich mit mehreren Fragezeichen auf der Stirn dasaß.
Völlig konsterniert starrte ich den anderen Studenten nach, die ausgelassen plaudernd an uns vorbeischlenderten, nicht im mindesten beeindruckt von der Schwere der soeben verabreichten Kost, die mir wie ein Backstein im Magen lag.
»Na, ich weiß nicht«, erwiderte ich leicht resigniert. »Vielleicht sollte ich doch erst mal eine deutsche Grundschule besuchen und mit dem großen A anfangen? Meinst du, ich passe mit meinem Hintern auf einen von diesen winzigen Stühlen?«
»Zur Not nimmst du eben zwei«, meinte Elin trocken, und bei der Vorstellung mussten wir beide lachen.
Wir verabredeten uns für die Mittagspause zum Essen, danach eilte ich weiter in den nächsten Seminarraum, um mich der Wortbildung im Deutschen zu widmen – geradezu erholsam im Vergleich zu Manns hermetisch-hermeneutischen Spannungsfeldsteigerungen.
Um exakt drei Minuten vor zwölf stand ich in der Eingangshalle des Schweinchenbaus, wo Elin, Beate und Isabelle schon auf mich warteten. Meine beiden Nachbarinnen hatten sich unbedingt schon so früh treffen wollen, weil es sonst zu voll war, und wie erhofft hielt sich der Andrang in Grenzen.
Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich jemals um diese Uhrzeit etwas zu mir nehmen würde, was sich Mittagessen nennt, noch dazu von einem einzigen Tablett mit unterschiedlich großen Vertiefungen, in die aus riesigen Schöpfkellen das Essen geklatscht wurde. Ich verstand nicht ganz, warum die Studenten hier nicht von Tellern essen durften, und hatte nach meinem ersten Mensabesuch letzte Woche allen Ernstes überlegt, deshalb eine Petition bei Amnesty International einzureichen. Oder vielleicht doch lieber beim Tierschutzbund?
Das Thema ließ mir keine Ruhe, und auch diesmal war ich darüber so entsetzt, dass ich Isabelle fragte: »Wieso müssen wir hier essen wie die Schweine aus dem Trog? Protestiert denn niemand dagegen? Ihr demonstriert doch sonst gegen alles und jeden.«
Sie lachte nur. »Nein, da gewöhnt man sich dran. Wirst schon sehen.«
»Nie im Leben!«
»Der Hunger treibt’s eben rein«, beteiligte sich Beate an der Diskussion. »Für das Geld darf man nicht mehr erwarten.«
»Ich erwarte grundsätzlich das Beste«, sagte ich nur empört und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: »Hoffentlich gibt’s diesmal wenigstens Besteck.« Beim letzten Mal hatte die Studentin vor mir in der Schlange nämlich das letzte Messer ergattert, und ich hatte so lange auf Nachschub warten müssen, bis mein Essen kalt war. Und ich hasse nichts mehr als kaltes Essen.
»Keine Sorge«, meinte Elin, »heute sind wir früh genug dran, da passiert das nicht.«
Da heute Freitag war, gab es als Tagesgericht entweder Fisch oder eine Süßspeise, und ich entschied mich nach einem Blick auf die Bildschirme für Kaiserschmarrn mit Vanille-Apfel-Kompott – offenbar das beliebteste Gericht des Tages, da an diesem Aufgang zumindest eine kurze Schlange stand. Die anderen drei bevorzugten alle das Pangasiusfilet mit Spinat-Kartoffel-Gratin, daher konnten sie gleich durchgehen und versprachen, uns oben einen schönen Fensterplatz zu sichern.
Als ich mich hinten anstellte, drehte sich der Typ vor mir, der mich gut um einen Kopf überragte, zu mir um und musterte mich von oben bis unten. Offenbar war er sehr zufrieden mit dem, was er da sah, denn ein Grinsen überzog sein Gesicht. Ein unsicheres Grinsen. Mir schwante Böses.
»Naaaa«, begann er wie befürchtet ein Gespräch auf höchstem intellektuellem Niveau. »Heute auch süß unterwegs?«
Ich nickte nur stumm, wobei ich den Blick nicht von seiner Frisur abwenden konnte, denn selten hatte ich einen Mann mit derart vollen, zerzausten Locken gesehen. Meine Haare waren ja schon kaum zu bändigen, aber er schoss wahrlich den Vogel – oder vielmehr das Vogelnest – ab. Pikiert zog ich eine Augenbraue hoch, da mir ganz und gar nicht nach Unterhaltung zumute war, und ging davon aus, dass er dank dieses Winks darauf verzichtete, das Wort an mich zu richten.
Ein Italiener hätte angesichts des nonverbalen Zaunpfahls entweder sofort die Segel gestrichen, mir einen schönen Tag gewünscht und den Rückzug angetreten. Oder er wäre, was ehrlich gesagt durchaus häufiger vorkommt, zu verbaler Höchstform aufgelaufen und hätte mit wahrhaft unwiderstehlichem Charme den Sieg nach Hause geholt. Was nicht zuletzt am unerschütterlichen Selbstbewusstsein und der ebenso unerschütterlichen
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