Risotto Mit Otto
aber im Grunde ihres Herzens ein sehr netter Mensch. Man muss sie nur zu nehmen wissen.«
»Wenn ihr meint«, sagte ich nur zögerlich.
»Mach dir keine Sorgen, mit deinem italienischen Charme hast du hier doch noch jeden um den Finger gewickelt.« Mike drückte mir einen Kuss auf den Scheitel.
Friedrich, der gerade reingekommen war, um sein Kühlschrankfach zu inspizieren, hatte die letzten Worte gehört und meinte nur: »Das gilt vielleicht für euch und Otto, aber nicht für mich. Ich bin dagegen immun.« Nachdem er seine Joghurts gezählt hatte, nahm er einen heraus und ging wieder.
Kaum war er draußen, fuhr ich mir mit der flachen Hand mehrmals unterm Kinn entlang. »Mir doch egal!«
»Ihr beide habt’s irgendwie nicht miteinander, was?« Mike musterte mich mitleidig. »Oder ist heute einfach nicht dein Tag?«
»Heute?«, fragte ich zurück und musste schon wieder lachen.
Eine Woche später fragte ich mich erneut, was ich dieses Jahr eigentlich falsch machte, weil mir seit meiner Ankunft in Deutschland so viele Missgeschicke passiert waren wie anderen Menschen nicht in zehn Jahren. Warum auch immer: Es war der Wurm drin in meinem Auslandsaufenthalt.
Ausgerechnet an dem Samstag, an dem ich mit Isabelle zum Shoppen in der Stadt war und mein Handy zu Hause vergessen hatte, kam Jan vorbei, um seine Sachen abzuholen. Da er seinen Besuch eigentlich hatte ankündigen wollen, hatte ich überhaupt nicht mit ihm gerechnet und das Zimmer auch nicht wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzt.
Als ich nach Hause kam und Friedrich mir erzählte, dass Jan vor knapp zehn Minuten das Haus verlassen hatte, schrammte ich knapp am Herzinfarkt vorbei.
Sofort stürmte ich in mein Zimmer, doch es sah alles noch genauso aus, wie ich es verlassen hatte: Der Boden war übersät mit Büchern und Mitschriften von der Uni, da ich demnächst ein Referat halten sollte und daher dringend meine Unterlagen sortieren musste, auf dem Schreibtisch standen ein Teller voller Kekskrümel und eine halb ausgetrunkene Tasse Tee. Mein Blick wanderte ängstlich zu dem Kleiderstapel über dem Sessel hinüber, doch zum Glück hatte ich die Unterwäsche bereits in meinen Wäschesack gesteckt. Die Schmach hätte ich, glaube ich, nicht lebend überstanden, auch wenn ich Jan gar nicht unter die Augen treten musste.
Auf dem ungemachten Bett entdeckte ich einen Zettel, auf dem in Großbuchstaben mein Name stand. Erst traute ich mich gar nicht, ihn auseinanderzufalten, doch meine Neugier war größer als die Angst vor einer unangenehmen Nachricht.
Liebe Unbekannte,
wir kennen uns zwar nicht persönlich, aber ich sehe, Sie haben sich hier schon sehr gut eingelebt. Ich hoffe, es gefällt Ihnen in meinem Zimmer, nach Ihrem Geschmack umgestaltet haben Sie es ja schon.
Ich gehe mal davon aus, dass Sie meine Motorradposter nicht bei eBay versteigert haben, sondern sie an einem ebenso gut versteckten Ort liegen wie meine Klamotten. Ich habe echt eine Weile gebraucht, bis ich die Winterpullis in Ihrem Koffer unterm Bett entdeckt hatte J.
Wirklich schade, dass wir uns bisher nicht persönlich begegnet sind. Ich würde mir gerne ein Bild von der Frau machen, die lila Stringtangas trägt und sich für Archäologie interessiert. Klingt irgendwie spannend.
Aber jetzt mal im Ernst: Liebe Angela, da wohnt schon mal eine waschechte Italienerin in meinen Sachen, und ich laufe ständig an ihr vorbei. Aber es hat sich erst sehr kurzfristig ergeben, dass ich heute nach München kommen konnte, und ich habe dich trotz mehrerer Versuche leider nicht erreicht.
Ach ja, wegen der Miete haben wir ja nun auch schon wieder nicht gesprochen. Es wäre toll, wenn du den M&Ms ab dem 01.01. deinen Anteil an den Nebenkosten geben könntest. Ich glaube, das sind um die hundertfünfzig Euro im Vierteljahr. Die Monate davor kannst du ja im Blumenladen abarbeiten – wenn sie dich lassen.
Ich hoffe, wir treffen endlich bald mal aufeinander.
Un caro saluto
Jan
Aiuto, der Brief klang zwar sehr nett, und Jan schien wegen meiner Umräumaktion auch nicht groß sauer zu sein, aber er wollte fünfzig Euro pro Monat von mir haben. Das war zwar glatt geschenkt für dieses tolle Zimmer, vor allem bei den Münchner Mietpreisen, doch wo sollte ich das Geld hernehmen? Babbo konnte ich unmöglich fragen. Das hieß, ich musste wohl oder übel Signor Colluti noch mal einen Hausbesuch abstatten und um Verständnis für meine Situation werben. Und um die Herausgabe des Geldes bitten, das
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