Risotto Mit Otto
mein Vater ihm noch immer schickte. Wenn ich dem netten alten Herrn sagte, dass er das, was er bisher bekommen hatte, behalten durfte, sozusagen als Schweigegeld, war er sicher einverstanden. Ich nahm mir vor, gleich morgen hinzufahren und die Sache zu klären. Oder übermorgen. Oder doch erst im neuen Jahr. Schließlich war das alte wahrlich stressig genug.
Na ja, ich wollte nicht undankbar sein, denn wenigstens an der Uni lief alles glatt. Dank Rainer hatte ich den Platz in der Einführung in die neuere deutsche Literaturwissenschaft sicher und konnte am Ende des Semesters an der Prüfung teilnehmen. Auch sonst fand ich mich inzwischen auf dem Campus und den anfangs so unübersichtlich wirkenden langen Gängen immer besser zurecht.
Mit den netten Leuten von Tuto RIA verbrachte ich einen echt lustigen Abend auf dem größten Weihnachtsmarkt der Stadt, dem Tollwood auf der Theresienwiese. Mit zwölf anderen Leuten aus aller Herren Länder schlenderte ich begeistert durch die überfüllten Gänge, drängte mich um die alternativ angehauchten Stände, an denen es neben selbstgenähten Taschen, Wollsocken, leckerem selbstgemachten Likör bis hin zu Kunsthandwerk und marokkanischen Lampen einfach alles zu kaufen gab. Das kulinarische Angebot war ebenso groß, und wir krönten unseren Besuch mit mehreren Runden Feuerzangenbowle, einem Glühwein mit einem Stück Zucker, das mit Rum übergossen und angezündet wird. Ich machte sofort ein Foto davon und schickte es Vale per MMS, damit sie mir die Story auch tatsächlich glaubte.
Die Weihnachtsstimmung erfasste jedenfalls die ganze Stadt, und selbst auf dem Speiseplan der Mensa machte sich das nahende Fest bemerkbar, denn zu den manchmal zähen oder nicht durchgebratenen Hühner- und Putenbrüsten gesellten sich immer häufiger auch Ente und Gans. Meist war das Essen aber ganz genießbar, nur einmal hatte ich gestreikt, als es »Gabelspaghetti« gab. Allein das Wort klingt wie ein mittelschweres Verbrechen. Ich hatte Elin gebeten, mir eine Portion mitzubringen, da ich dringend zur Toilette musste und mich nicht noch mal hinten anstellen wollte. Wenn ich die Dinger vorher gesehen hätte, dann hätte ich mir die auf Kaugummilänge gekürzten Pappkameraden, die eher einer undefinierbaren Mehlspeise als italienischen Teigwaren ähnelten, niemals aufs Tablett klatschen lassen.
Ich verweigerte die Nahrungsannahme komplett und sah Elin mit knurrendem Magen dabei zu, wie sie verzweifelt versuchte, die aufgedunsenen Nudeln mit der Gabel aufzuspießen, was ihr jedoch nicht gelang.
»Komm, ich spendiere uns eine cioccolata calda und ein Stück Kuchen bei den alten Damen«, schlug ich vor. »Dann können wir auch gleich besprechen, wer von uns welche Klausur für die Vorlesungen vorbereitet, damit wir später zusammen lernen können und nicht alles doppelt abschreiben und zusammenfassen müssen.«
Elin ließ sofort die Gabel fallen. »Au ja, super Idee. Los, gehen wir.«
Sie stand schon an der Tür, da hatte ich noch nicht meine Mütze aufgesetzt, und tippte ungeduldig mit der linken Fußspitze auf den Boden.
Eine Viertelstunde später saßen wir in unserem Lieblingscafé, zwei dampfende Tassen mit heißer Schokolade und jede ein Riesenstück Kuchen vor uns. Nachdem wir den Stoff untereinander aufgeteilt hatten, kamen wir noch auf die glorreiche Idee, je einen Brief ans Christkind zu schreiben. Wir hatten uns über Weihnachten und die unterschiedlichen Bräuche ausgetauscht, und Elin war total erstaunt, als ich ihr erzählte, dass es in Italien eigentlich erst am sechsten Januar Geschenke gibt, die von der befana, einer guten Hexe auf einem fliegenden Besen, gebracht werden.
Ich überlegte hin und her, was ich schreiben könnte, und gerade als ich den Stift aufs Papier setzte, klingelte mein Handy, und Ben versuchte mich zum x-ten Mal zu erreichen. Zufrieden mit meiner Selbstdisziplin, da ich bisher tatsächlich weder auf seine Anrufe noch auf die unzähligen SMS reagiert hatte, steckte ich das Handy einfach wieder in die Tasche. Im Hinblick auf die Tatsache, dass ich ab Januar das Geld für die Nebenkosten auftreiben musste, und beim Gedanken an Ben, schrieb ich: »Ich wünsche mir einen Mann, der mich nicht belügt und auch keine Geldsorgen hat, am besten einen ehrlichen Millionär.«
Dass die Wünsche realistisch sein sollten, davon hatte das Christkind schließlich nichts gesagt.
7.
»Dillo alla luna«
Am zweiundzwanzigsten Dezember war der letzte Vorlesungstag für
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