Risotto Mit Otto
Spekulatius, Weihnachtsmännern, Dominosteinen und unzähligen anderen Leckereien, die meines Erachtens allesamt verboten gehörten. Gemeinsam mit den M&Ms probierte ich mich durch das komplette Weihnachtssortiment und kam zu dem Schluss, dass die Deutschen, was das Konditorhandwerk anging, einfach unschlagbar sind. Ich entwickelte eine für mein Körpergewicht äußerst bedrohliche Vorliebe für Dresdner Christstollen und hätte darüber fast vergessen, wie lecker der italienische panettone ist. Doch zum Glück – oder Unglück – versorgten mich mamma und nonna, obwohl ich in nicht mal zweieinhalb Wochen nach Hause fahren wollte, postlagernd mit einem Carepaket und wendeten so den drohenden Gedächtnisschwund ab. Mit dem Inhalt hätte ich halb München verköstigen können. Damit die Zuckerbomben nicht alleine auf meinen Hüften landeten, verteilte ich sie im ganzen Haus und stellte sogar Frau Griesmayer einen Mini- panettone mit einem Kärtchen vor die Tür. In der Absicht, unser interkulturelles nachbarschaftliches Verhältnis auf stabilere Füße zu stellen.
Leider brachte ich eben jenes durch die nett gemeinte Aktion am Ende erst recht ins Wanken, woran die gute Frau Nachbarin allerdings nicht unbeteiligt war. Sie stand nämlich am nächsten Nachmittag bei uns vor der Tür, um sich für die großzügige Gabe zu revanchieren.
»Grüß Gott«, sagte sie ungewohnt freundlich und wie es sich für eine anständige katholische Hausfrau gehörte, nicht ohne den Allmächtigen einzubeziehen. »Ich wollte mich für den Kuchen bedanken und habe euch auch was mitgebracht.« Damit drückte sie mir eine Zellophantüte mit selbstgebackenen Plätzchen in die Hand und ging wieder.
»Vielen Dank«, rief ich ihrem Rücken noch hinterher und schloss die Tür.
Das allein wäre ja nicht weiter schlimm gewesen, nur leider hatte Frau Griesmayer ihren Backofen offenbar nicht mehr ganz im Griff, denn die Vanillekipferl und Zimtsterne waren härter als der berühmte Marmor aus Carrara. Nachdem selbst Joe Kugel die Annahme verweigert hatte, entsorgte ich die Kieselsteine kurzerhand im Hausmüll – in der Originalverpackung, da ich Friedrich bei seinen wahrlich zahlreichen Ausführungen über die Themen Mülltrennung und -vermeidung in den letzten Monaten bedauerlicherweise nicht richtig zugehört hatte. Ich dachte mir nichts weiter dabei und hatte auch nicht mit den Stasimethoden gerechnet, mit denen die gute alte Dame unser Haus – offensichtlich inklusive sämtlicher zur Verfügung stehender Abfallbehälter – im Griff hatte. Ich sollte jedoch nicht lange dumm und unwissend bleiben.
Ganze sechsundzwanzig Stunden später stand Frau Griesmayer erneut bei uns vor der Tür. Erst dachte ich, es handele sich um ein Déjà-vu, doch dann fiel mir auf, dass ihr Gesichtsausdruck nicht mehr ganz so freundlich wirkte wie am Tag zuvor. Bei genauerem Hinsehen wirkte er sogar alles andere als freundlich.
»Haben Sie das hier etwa weggeworfen?«, sagte sie im Ton einer Anklägerin vor dem Bundesverfassungsgericht und hielt mir eine leicht derangierte Tüte unter die Nase, bei deren Anblick meine Körpertemperatur augenblicklich um fünf Grad stieg. Es war eine Zellophantüte. Mit Vanillekipferln und Zimtsternen.
»Äh … also …«
»Aha! Erwischt! Ich hätte es mir ja denken können. So was Undankbares habe ich ja schon lange nicht erlebt.« Empört stemmte sie die Hände in die hageren Hüften und schleuderte mir aus ihren grauen Augen Blitze entgegen, dass mir angst und bange wurde.«
»Das ist ein bedauerliches Missverständnis«, versuchte ich, gut Wetter zu machen, doch sie wollte meine Erklärungen gar nicht hören.
Frau Isolde Griesmayer wandte sich ohne ein weiteres Wort auf dem Absatz um und machte sich schimpfend und keifend an den Abstieg ins Erdgeschoss. Sobald sie außer Reichweite war, fing sie in schönstem Bayrisch an loszuwettern. »So a Aas«, hörte ich sie murmeln. »Luada! Mistgurgl! Gschlamperte Urschl, gschlamperte.«
Betreten schloss ich die Tür und beichtete den M&Ms in der Küche, was gerade passiert war.
»Liebelein«, sagte Mike und nahm mich in den Arm, »das kriegen wir schon wieder hin. Du kommst einfach morgen zu uns in den Laden und nimmst ihr zwei oder drei schöne, große rote Amaryllis mit. Das sind ihre Lieblingsblumen. Danach ist sie dir bestimmt wieder gut, wirst schon sehen.«
Auch Marcus war zuversichtlich. »Die alte Griesmayer ist eine liebe Seele, manchmal ein bisschen aufbrausend,
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