Risotto Mit Otto
dieses Jahr, und ich konnte es kaum erwarten, nach Italien zu kommen, da ich die Ferien bis zum letzten Tag in Riccione auskosten wollte. Ich nutzte den dreiundzwanzigsten, um alle Geschenke auf einmal einzukaufen, und schob mich den ganzen Tag mit etwa einer Million anderer Menschen durch die Schneemassen in der Kaufingerstraße. Pünktlich zum Fest, wie die Deutschen es mögen, hatte der Himmel die Schleusen geöffnet und ungefähr hundert Millionen Tonnen Schnee über ganz Bayern ausgeschüttet. In Riccione war es im Winter auch schon mal kalt, und ich hatte in meinem Leben durchaus schon die eine oder andere Schneeflocke gesehen, aber solche Mengen – ich fand’s einfach nur herrlich. Alles war weiß, selbst abends war es noch hell, weil die geschlossene Schneedecke das Licht so schön reflektierte, und alle Geräusche waren wie gedämpft. Bei mir kam eine ganz andere Weihnachtsstimmung auf als all die Jahre zuvor.
Nach dem Einkaufen traf ich mich noch mit Elin auf einen aperitivo in einer kleinen netten Bar in der Innenstadt, bevor ich den Abend mit dem Einpacken der Geschenke verbrachte. Am Heiligen Abend wollte ich den EC um 07.31 Uhr nehmen, damit ich am Spätnachmittag in Bologna ankam, wo mich meine Eltern vom Bahnhof abholen wollten. Nach dem Abendessen wollten wir dann alle zusammen in die Mitternachtsmesse, die das Weihnachtsfest einläutete. Nonna wollte wie immer die vom Papst in Rom gehaltene Messe live im Fernsehen verfolgen, das ließ sie sich einfach nicht nehmen.
Wir freuten uns alle riesig auf das Wiedersehen, ich konnte es kaum erwarten, meine famiglia und vor allem auch Vale wieder in die Arme zu schließen. So schön das Studentenleben in München war, ich vermisste die Geborgenheit und Sicherheit, die meine Eltern und nonna mir gaben. Hier in Deutschland waren mir zu viele Einzelgänger und -kämpfer unterwegs, die alles mit sich ausmachten. Ich dagegen brauchte emotionalen Halt und Zuspruch. Mit am meisten freute ich mich daher auf die große mangiata an den Weihnachtsfeiertagen, wenn wir alle gemeinsam um den großen Tisch saßen und stundenlang tafelten und jeder von sich erzählte. Meine beste Freundin, die mit ihrer Mutter schon seit Jahren die Weihnachtsfeiertage bei uns zu Hause verbrachte, und ich würden die zehn Tage, die ich in Riccione war, bestimmt am Stück durchquatschen, so viel gab es zu erzählen. An Silvester wollten wir mit der kompletten Clique tanzen gehen, in eine coole, total angesagte Riesendisco in Misano, in der ein cooler, total angesagter DJ aus London auflegen sollte.
Beim Kofferpacken verbrauchte ich ungefähr zweieinhalb Päckchen Taschentücher, da mich über Nacht eine Erkältung heimgesucht hatte, die nicht von schlechten Eltern war. Sie hatte sich diesmal nicht wie sonst mit einem leichten Kratzen im Hals angekündigt, sondern war gleich mit einer Stirnhöhlenvereiterung samt mittelschwerer Bronchitis über mich hereingebrochen. Ich hustete und schniefte also vor mich hin, während ich meine Kleider gefühlte achtmal ein- und wieder auspackte, um sie neu zu drapieren, bis der Koffer endlich zuging. Ich fragte mich schon, ob sie genauso zugenommen hatten wie mein Körperumfang, aber das konnte kaum sein, denn ich hatte – für meine Verhältnisse – so gut wie nichts neu gekauft. Bis auf die dreitausend Geschenke für meine Lieben daheim, aber die kamen ja in die Reisetasche, von der ich noch nicht wusste, wie ich sie tragen sollte.
Nachdem ich sowohl die M&Ms und Friedrich als auch die drei von nebenan bei unserer vorgezogenen Bescherung am Vorabend mit je einer großen Schachtel Baci Perugina beglückt hatte, die ich mir extra von mamma hatte schicken lassen, war ich so aufgeregt, dass ich in der Nacht kaum schlafen konnte.
Am nächsten Morgen stand ich, ganz entgegen meiner inneren Überzeugung, zu einer absolut unchristlichen Zeit auf, um mich unter dem starrenden Blick von Joe Kugel mitsamt meinem Koffer, einer Reisetasche und meiner Handtasche durch die Tür zu wuchten. Im Winter, zumal bei so viel Schnee, kam die S 7 gerne mal zu spät, daher wollte ich, ganz unitalienisch, lieber mal eine Bahn früher nehmen.
Der Kater hatte sich als Einziger die Mühe gemacht, mit mir aufzustehen, was ich wirklich anerkennenswert fand, doch ich gab mich keinerlei Illusionen hin. Es geschah ganz sicher nicht aus Solidarität mit meiner Person, sondern in der Hoffnung auf ein vorgezogenes erstes Frühstück, dem zur üblichen Stunde ein zweites folgen
Weitere Kostenlose Bücher