Risotto Mit Otto
war, pfiff mich ähnlich deutlich zurück wie damals bei meiner ersten Begegnung mit den Münchner Zeitungskästen.
Die Münchner, allen voran Otto und Tobi, verbrachten immer noch begeistert so gut wie jedes Wochenende in den bayerischen Hausbergen beim Skifahren, obwohl sie das schon seit Ende Oktober taten. Überhaupt schwärmen alle, wenn sie ihre Begeisterung für München kundtun, immer von den tollen Bergen und den phantastischen Seen, obwohl all das zum Teil über hundert Kilometer von der Stadt entfernt liegt. Aber ich hatte es inzwischen ohnehin aufgegeben, diese Menschen verstehen zu wollen.
Dafür kam auch in der Stadt allmählich wieder Leben in die Straßen, und vor allem rund um den Marienplatz oder in Schwabing herrschte fast schon italienisches Flair. Viele Café-Betreiber stellten seit Anfang Februar beim kleinsten Sonnenstrahl, der durch die Wolkendecke drang, ihre Tische und Stühle nach draußen, und tatsächlich nahmen die Deutschen das Angebot dankbar an. In Decken gemummelt saßen sie unter den zahlreichen Heizpilzen, die ich anfangs für Straßenlaternen gehalten hatte, und schlürften – na, was wohl? – Latte macchiato.
Ben hatte ich tatsächlich erfolgreich in die Wüste geschickt, was mir ab und zu schon leidtat, weil ich seine Komplimente und schönen SMS vermisste, aber man kann eben nicht alles haben. Dafür hatte ich an der Uni so manchen Verehrer – immerhin ein kleiner Tropfen Balsam für meine empfindliche Seele –, darunter auch Rainer, der mir die peinliche Nummer in der Mensa ganz offensichtlich verziehen hatte und mich regelmäßig zu einem gemeinsamen Kaffee überredete. Seit der Prüfungsstress jedoch vorbei war und ich nicht mehr jeden Tag zum Lernen in der Bibliothek saß, trafen wir uns kaum mehr. Ich gehe mit meiner Handynummer nun mal extrem sparsam um. Ich mochte Rainer ganz gern, aber er war mir eindeutig zu schüchtern und schweigsam. Eine Frau wie ich braucht nun mal ein bisschen Text, schließlich leben wir nicht mehr in der Stummfilmzeit.
Otto machte in den Semesterferien ein Praktikum bei Audi in Ingolstadt und wohnte für sechs Wochen dort, da er die knapp siebzig Kilometer nicht täglich mit dem Zug fahren wollte. Zwar telefonierten wir ab und zu, aber er fehlte mir sehr, und zwar nicht nur, weil wir es bis jetzt nicht geschafft hatten, gemeinsam zu Signor Colluti zu gehen. Der alte Herr hatte meine Eltern bisher nicht informiert, und ich hatte noch zweimal versucht, ihn anzurufen, ihn jedoch nicht erreicht. Ehrlich gesagt waren die Aktionen eher halbherziger Natur gewesen, und nach dreimal klingeln hatte ich jeweils erleichtert aufgelegt.
Mein berühmt-berüchtigter Verdrängungsmechanismus lief auf Hochtouren, und ich wollte mich endlich den schönen Dingen des Lebens widmen.
Dazu hatte ich bald Gelegenheit, denn Isabelle plante zusammen mit einer Freundin die erste Isar-Grillparty für dieses Jahr. Ich fand das Vorhaben leicht verwegen, immerhin war es nach Sonnenuntergang oft noch empfindlich kalt.
»Ich bin nicht bereit, an einer Polarexpedition teilzunehmen«, wandte ich kritisch ein.
Aber sie wischte meine Bedenken kurzerhand weg. »Dann trinkst du eben zwei Bier mehr, und schon ist dir warm«, sagte sie und drückte mir eine Liste mit den Dingen in die Hand, die ich für die Party besorgen sollte.
Meine quirlige Nachbarin sollte recht behalten, zumal nicht nur der Augustiner Edelstoff, ohne den hier so gut wie gar nichts ging, sondern auch das riesige Lagerfeuer, um das sich alle bei knapp fünf Grad Celsius drängten, für eine wohlige Wärme sorgte.
Als ich mich mit Beate nach zwei Stunden auf den Weg zu dem kleinen Kiosk an der Wittelsbacher Brücke machte, um Nachschub zu kaufen, kamen wir irgendwie auf Otto zu sprechen, und da ich meine Neugier wie immer nicht im Zaum halten konnte, erkundigte ich mich, ob er denn immer noch verliebt sei. Offenbar klang ich dabei nicht ganz so unbeteiligt wie gewollt, denn sie horchte sofort auf.
»Wieso interessiert dich das?«, fragte sie und musterte mich neugierig.
»Wieso nicht?«, versuchte ich es mit einer unverfänglichen Gegenfrage.
»Gönnst du ihm etwa nicht, dass er jetzt nicht mehr als seelischer Mülleimer für dich zur Verfügung steht?«
»Wie bitte?« Ich war völlig perplex. Welcher Affe hatte denn hier zugebissen?
»Ist doch so«, beharrte sie stur. »Ständig rennst du zu ihm, lässt dir von ihm helfen und laberst ihn zu. Denk nur mal an die Story mit Ben. Der arme
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