Risotto Mit Otto
mich dorthin einlud, immerhin blieben mir noch ganze fünfeinhalb Monate in München.
Wider Erwarten stellte sich noch immer keine Katerstimmung ein. Ich stand auf, und nachdem ich das Badezimmer für die üblichen zwei Stunden blockiert hatte, fuhr ich in die Stadt, um bei den M&Ms im Blumenladen vorbeizuschauen. Mein großzügiges Angebot, sie zu unterstützen, um die Nebenkosten für die ersten Monate reinzuarbeiten, hatten sie ebenso freundlich wie bestimmt abgelehnt. Wobei sie mehrfach beteuert hatten, es habe nicht an mir und meinem mangelnden Talent oder fehlenden grünen Daumen gelegen. Ehrlicherweise lag es vermutlich daran, dass ich, als ich vor Monaten mal ausgeholfen hatte, mit dem Putzlappen für die Blumenvase das Geschirr gespült hatte, aber das war nur eine Vermutung meinerseits. Ich fand das nicht so schlimm, schließlich hatte ich superheißes Wasser und jede Menge Spülmittel genommen, und mamma benutzte meines Wissens zu Hause auch einen Lappen für alles.
In Sachen Putzausstattung konnte sie damit Frau Griesmayer, die Tücher, Lappen und Schwämme in allen Formen, Größen und Farben sowie aus Materialien besaß, die ich bisher nur in der Raumfahrt oder in klinischen Labors vermutet hätte, nicht das Wasser reichen. Man hätte von den Stufen im Hausflur essen können, so sauber waren sie, und auch in ihrer Wohnung existierte meines Wissens kein einziges Staubkörnchen.
Als ich in die Straße einbog, in der sich der Blumenladen befand, malte ich mir in allen Farben aus, wie die alte Frau Griesmayer im Treppenhaus saß und ihre abendliche Brotzeit von den blitzblank geputzten Stufen aß. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich glatt einen Häuserblock zu weit lief und umkehren musste.
Beim Putzen sind die Deutschen echt kategorisch, dachte ich, ähnlich wie bei Freundschaften und anderen zwischenmenschlichen Verbandelungen. Damit machen sie es sich oft nicht leicht, und im schlimmsten Fall führt dieses mangelnde Laisser-faire zu kompletten Familienzerwürfnissen. Das hat dann zur Folge, dass Bruder und Schwester oft über Jahrzehnte nicht miteinander oder mit ihren Eltern oder Schwiegereltern oder Tanten oder sonstigen Verwandten reden, nur weil dieser oder jener in volltrunkenem Zustand mal irgendeine Wahrheit kundgetan hat, die er besser für sich behalten hätte, oder weil er vielmehr dieses oder jenes nicht getan hat. Oft wird der Konflikt jedoch nicht offen ausgetragen, sondern schwärt und brodelt unter der Oberfläche, damit alle Beteiligten sich ganz wunderbar in Spekulationen und Mutmaßungen ergehen können.
In italienischen Familien dagegen wird grundsätzlich mit brennender Leidenschaft und ebenso grundsätzlich lautstark gestritten, aber das hat nur in den seltensten Fällen Langzeitfolgen. Ein jeder macht seinem Ärger Luft, und man schreit sich dabei auch schon mal an, aber hinterher ist die Sache geklärt. Hier in Deutschland dagegen gibt es kaum einen Menschen, der nicht mit irgendwem für immer »über Kreuz« ist, wie es so schön heißt.
Wie man so etwas aushalten konnte, war mir ebenso ein Rätsel wie die Tatsache, dass die M&Ms sich über einen falsch verwendeten Lappen derart echauffieren konnten.
Egal, ich bin für derart niedere Tätigkeiten wie putzen jedenfalls nicht geeignet, dachte ich und betrat den Laden.
Marcus und Mike begrüßten mich ausgelassen, da sie gerade einen Großauftrag für eine Nobelhochzeit am Tegernsee reinbekommen hatten und noch ganz euphorisch waren. Im Laden roch es nach den vielen Tulpen, die in allen erdenklichen Farben und Varianten in schwarzen Eimern standen und auf Kundschaft warteten. Ich mochte vor allem die gefüllten in Weiß oder die Lilientulpen mit ihren spitzen Blättern.
Mike bot mir gleich einen caffè an. Die beiden hatten, wie fast alle Deutschen, eine echt italienische Kaffeemaschine von De’Longhi im Laden stehen, die vermutlich so viel gekostet hatte wie ein Kleinwagen. Sie sind ähnlich beliebt wie die von Saeco oder Jura und verleihen selbst der deutschesten Küche in Eiche rustikal einen italienischen Touch. Trotzdem schaffen es die Deutschen ohne auch nur einen Hauch von Unrechtsbewusstsein, einem den Milchkaffee im Glas und nicht, wie es sich gehört, in einer Porzellantasse zu servieren. Lustigerweise nennen sie das Ganze dann Latte macchiato, genau wie das Kindergetränk, das kein Italiener, der älter ist als drei Jahre, nach 06.57 Uhr morgens zu sich nehmen würde. Davon abgesehen, dass Milch ein
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