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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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natürlich sollst du die Wahrheit sagen.
    – Du wirst sowieso wütend werden, was ich auch sage.
    O.K. Ich werde sagen, was man so redet.
    – Tu das.
    – Du mußt dir darüber klar sein, daß du ein cleverer Bursche bist, du hast im Ministerium einen guten Ruf. Aber du bist nicht brillant. Und du bist vor allem nicht sonderlich erfahren. Ich glaube nicht, daß es dir wirklich ganz bewußt ist, was man von dir erwartet. Du mußt dir darüber klar sein, daß es eine Schwäche von dir ist, in diesem Punkt nicht feinfühlig genug zu sein – ja, ich rede ganz aufrichtig, wie ich es versprochen habe, unterbrich mich jetzt nicht...
    also: Du mußt dir darüber klar sein, was sie von dir erwarten.
     
    Ich wurde so ungeduldig, daß ich es nicht lassen konnte, mit dem Bleistift auf den Tisch zu klopfen, eine idiotische Angewohnheit, die ich mir komischerweise schon in der Volksschule zugelegt habe, ich erinnere mich, daß ich sogar einmal von einem recht netten Lehrer eine Ohrfeige bekam, weil er mich nicht dazu bringen konnte, damit aufzuhören.
    – Was zum Teufel erwarten sie denn von mir? Soll ich diese Kommission demontieren, hat man mich hergeholt, damit ich sie auflöse, oder erwarten sie etwas ganz anderes: Daß ich etwas daraus mache? Was erwarten sie denn, verdammt noch mal?
    Er sah richtig mitleidig aus, und nichts kann mich so wütend machen, wie wenn Leute anfangen, sich mitleidig zu geben.
    – Du mußt schon selbst versuchen, das herauszufinden. Ich glaube kaum, daß jemand anders das für dich entdecken kann.
    Das Mädchen kam mit einigen Papieren aus dem Sekretariat, nichts davon schien besonders eilig zu sein.
    Ich habe entdeckt, daß Sekretärinnen mich immer nervös machen. Ich habe lange gedacht, das sei irgendeine Marotte von mir, bis ich herausfand, woher das kommen muß. Es ist natürlich ganz einfach so, daß sie so tief in dem System integriert sind, in einem solchen Maß mit ihm verwachsen und identifiziert, daß sie all die Angst, die in der Nähe der Macht ist, aufsaugen wie Schwämme und sie auch wieder ausstrahlen, ob sie wollen oder nicht. Es gibt Mädchen unter ihnen, die als richtige Generatoren der Unruhe fungieren können.
    – Hör mal, wenn es nichts sehr Dringendes ist, sagte ich, solltest du mit solchen Angelegenheiten ein bißchen sparsam sein, wenn ich hier drinnen eine Besprechung habe.
    Das Mädchen sah völlig verständnislos drein.
    – Jetzt erklär mir mal, wo du dich doch auskennst, wie die internationalen Verbindungen aussehen. Gibt es irgendwelche Organisationen, mit denen wir auf eine vernünftige Art zusammenarbeiten können?
    – Ja. Die gibt es.
    Und er berichtete eine ganze Menge darüber. Manches von dem, was er zu sagen hatte, machte mich tatsächlich etwas hoffnungsvoller. Es gab eine interessante Gruppe in der ungarischen Akademie der Wissenschaften, und es gab natürlich immer Kontaktmöglichkeiten zu den amerikanischen Forschungsinstitutionen mit ihrer traditionellen Offenheit.
    Wir redeten drauflos, bis es fast ein Uhr war und wir entdeckten, daß wir tatsächlich stundenlang zusammengesessen hatten, und er zeigte mir ein ganz ordentliches kleines Lokal, eigentlich kein Restaurant, sondern eine Art Kantine, die irgendeine lutherische Stiftung in Stocksund betrieb.
    – Dies, sagte er, ist praktisch das einzige Lokal in dieser Gegend. Freiwillig fährt ja kein Mensch nach Stocksund, und zum Mittagessen schon gar nicht.
    Ich sah ihn über den Tisch hinweg an. Er hatte es bereits geschafft, seinen Schlips mit Soße zu bekleckern, ohne es zu merken. Seine Tischmanieren waren genauso unangenehm, wie er auch in jeder anderen Hinsicht unangenehm war. Aber er hatte Humor, einen irgendwie versöhnlichen Humor, das war nicht zu leugnen.

Ereignisse rings um den Stureplan
     
    Ich fuhr zum Stureplan und parkte in dem neuen, teuren Parkhaus an der Hamngatan. Ein paar Minuten nach drei war ich am Sturehof.
    Ich kann nicht behaupten, daß es an diesem Platz in den letzten Jahren besonders gemütlich geworden sei. Den Stureplan habe ich noch nie gemocht, die Kungsgatan gehört zu den tristeten, zynischsten Geschäftsstraßen der Welt, mit einem kalten, gleichsam gefrorenen Gangsterleben, das ein bißchen zu phantasielos ist, um irgendwelche versöhnlichen Züge zu haben.
    Was den Sturehof angeht, so ist an dem Restaurant selbst nichts auszusetzen. Sie haben sich aber eine äußerst unangenehme Bar im Erdgeschoß zugelegt, bevölkert von allen möglichen verkommenen,

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